Hörbuch herstellen und vertreiben
Das Hörbuch liegt im Trend. Der Anteil von Menschen, die regelmäßig Hörbücher hören, steigt stark und stetig an. Waren es 2017 noch 18%, die mindestens einmal im Monat zum Hörbuch griffen, waren es 2024 bereits 46%, also zweieinhalb Mal so viele. Das mag mit dem wachsenden Angebot zu tun haben, aber sicher auch damit, dass beim Hören die Augen nicht gebraucht werden. Dadurch lassen sich Hörbücher beim Autofahren, während des Sporttrainings oder parallel zum Staubsaugen konsumieren.
Kein Wunder, dass auch mehr und mehr Selfpublisher mit dem Gedanken spielen, das eigene Buch zusätzlich als Hörbuch zu veröffentlichen. Nur, wie macht man das in der Praxis?
Es gibt, wie so oft, unterschiedliche Wege: teurere oder weniger teure, professionellere und weniger professionelle. Grundsätzlich kann man sich selbst mit einem Mikrofon vor den Rechner setzen und das Buch vorlesen. Mit ein bisschen Geschick schafft man vielleicht sogar das Mastering – aber ob das Ergebnis die Hörer überzeugt, darf stark bezweifelt werden.
Wer aus dem Vollen schöpfen kann, heuert seinen Lieblingssprecher an und mietet ein erstklassiges Tonstudio inklusive Postproduktion. Aber der Aufwand muss auch einigermaßen zu dem zu erwartenden Ertrag stehen. Und die wenigsten Selfpublisher können davon ausgehen, dass sich ihr Hörbuch tausendfach verkauft. Ich habe den Mittelweg gewählt.
Daisy Montana, mein zweiter Roman ist im Juli 2024 als eBook und Taschenbuch erschienen. Nach mehreren Monaten hatte sich gezeigt, dass die Zustimmung der Leser groß war und die Verkaufszahlen über meinen Erwartungen lagen. An diesem Punkt fing ich ernsthaft an, über eine Hörbuch-Ausgabe nachzudenken. Ich hatte mittlerweile von einer ganzen Reihe Leute aus meinem Bekanntenkreis gehört, sie wären an dem Buch interessiert, aber nicht in Form von Buchstaben – teilweise wegen schlechter Augen, teilweise, weil sie die Zeit auf langen Autofahrten nutzen wollten. Da gab es also einen Markt, der noch einiges versprach.
Bis ein Hörbuch auf dem Markt ist, braucht es eine Reihe von Schritten. Ein Sprecher oder eine Sprecherin liest das Buch. Ein Mikrofon nimmt das in akustisch geeignetem Umfeld auf und speichert es auf einem Computer. Die Aufnahme muss dann nachbearbeitet und gemastert werden. Und schließlich benötigt man auch noch einen Vertrieb, der das Hörbuch an die verschiedenen Händler und Plattformen verteilt.
Das Hörbuch selbst zu sprechen, kam für mich nicht in Frage. Man sollte die eigenen Grenzen kennen, und ich wollte ein Hörbuch, das einem Vergleich in allen professionellen Aspekten standhielt. Ein Tonstudio habe ich auch nicht und mit dem Vertrieb von Hörbüchern hatte ich noch nie was zu tun.
Ich fing an zu recherchieren und lernte auf diversen Sprecher-Webseiten als erstes, dass ein Buch im Umfang von 78 Tsd. Wörtern als Hörbuch über mehr als neun Stunden läuft. Einige dieser Webseiten nannten auch die Preise pro endgefertigter Programmstunde. Diese lagen alle übereinstimmend zwischen dreihundert und vierhundert Euro, wobei hier wichtig ist anzumerken, dass ich nicht nach Synchronsprechern von Hollywoodfilmen gesucht habe. Das ist nochmals eine andere Kategorie. Aber auch im Normalbereich waren also drei bis viertausend Euro für die fertige Aufnahme aufgerufen. Ich schluckte.
Im Lauf des Recherchierens war ich auf den Begriff des „Royalty Share“ gestoßen. Das ist ein Bezahlmodell, bei dem der Sprecher auf einen Teil seiner Gage verzichtet, dafür aber an den Verkaufserlösen beteiligt wird. Es gibt da viele Ausgestaltungsmöglichkeiten, die Wahrscheinlichkeit, dass sich jemand ausschließlich auf eine Tantimenbeteiligung einlässt, dürfte allerdings gering sein. Trotzdem ist das eine Win-win-Situation. Das Risiko des Autors, seine Investition niemals herauszubekommen, sinkt erheblich. Der Sprecher oder die Sprecherin bekommt Jobs, für die sie bei voller Berechnung nie den Auftrag bekommen hätte, hat aber dennoch die Chance, dass sich im Lauf der Zeit die erbrachte Leistung im vollen Umfang bezahlt macht.
Also fing ich an, nach Sprechern zu googeln, auf deren Webseite Royalty Share angeboten wurde. Die Suchergebnisse habe ich weiter gefiltert nach eigenen Aufnahmemöglichkeiten, womit sich die Notwendigkeit eines Tonstudios inklusive der Kosten erledigt. Es blieb eine höhere einstellige Zahl an Sprechern und Sprecherinnen übrig, womit die Reise aber nicht zu Ende war. Gefällt denen dein Buch? Haben sie überhaupt Termine frei? Auf was für eine Form von Royalty Share lassen sie sich ein und – last not least – passt die Stimme zu deinem Buch? Die Frage der passenden Stimme stelle ich deshalb hier ans Ende, weil ich sie in der Realität viel früher beantwortet habe.
Alle Sprecher haben Sprachdemos auf ihren Webseiten und die hört man sich natürlich zuerst an. Außerdem bieten nahezu alle an, einige Minuten aus deinem Buch als Hörprobe aufzunehmen und dir zu schicken.
Meine Suche endete bei Kaja Sesterhenn (oben im Bild). Ihre Stimme gefällt mir, die Hörprobe passte, wir fanden ein gutes Agreement, was ihr Honorar angeht, und sie ist außergewöhnlich technikaffin mit einem eigenen, hervorragend ausgestatteten Tonstudio.
Als Sahnehäubchen hat sie auch noch die Verbindung zu Bookwire, einem Hörbuchvertrieb. Der steht eigentlich nur Verlagen offen, aber Kaja Sesterhenn wird auch von der Agentur Sprecherdatei vertreten, und die hat einen Zugang zu Bookwire, den alle Sprecher der Sprecherdatei nutzen können.
Mitte Januar 2025 wurde das Hörbuch veröffentlicht und war innerhalb weniger Tage nahezu überall da erhältlich, wo es Hörbücher zum Download gibt. In diesem Zusammenhang ist wichtig zu wissen, dass Hörbücher keine Preisbindung haben. Der Autor kann zwar eine Empfehlung geben, aber letztlich macht jeder Händler seinen eigenen Preis und auch ggf. seine eigenen Rabattaktionen. Einer der vielen Vorteile von Bookwire ist die Möglichkeit, einzelne Hörbuchplattformen auszuschließen. So ist bspw. Spotify dafür bekannt, Hörbücher zu verramschen, und Kaja Sesterhenn und ich waren uns einig, Daisy Montana dort nicht anbieten zu lassen.
Als Leser und Schreiber sind mir Buchstaben vertraut und angenehm. Hörbücher waren in jeder Hinsicht für mich Neuland, und es ist eine neue und positive Erfahrung, nicht nur sich das eigene Buch vorlesen zulassen, sondern auch den Buchfreunden zugänglich zu machen, die lieber hören statt lesen.
Mehr Informationen auf den Webseiten von Kaja Sesterhenn, Sprecherdatei und Bookwire.
Foto: Kaja Sesterhenn; thekreativecompany / Pixabay
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