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Roman im Selfpublishing: Fazit, Teil 1

Mein Entschluss, einen Roman im Selfpublishing zu schreiben, kam spontan. Oder sagen wir, er entwickelte sich innerhalb weniger Tage. Eine echte „reifliche Überlegung“ war gar nicht möglich, weil ich überhaupt keine Ahnung hatte, auf was ich mich einließ. Es gab eine Geschichte, und Schreiben bereitete mir schon immer Freude. Was also hatte ich zu verlieren? Nichts! Höchstens ein bisschen Zeit.

Jetzt, nach mehr als einem Jahr, weiß ich, ich wollte keinen Moment der Arbeit missen. Ja, beim ersten Buch würde ich sogar fast alles wieder so machen, wie es gelaufen ist. Bei mir hat der erfolgreiche Abschluss dieses großen und komplexen Projekts ein Gefühl tiefer Befriedigung ausgelöst. Es geht ja nicht nur um das fertige Werk, sondern auch um die Veränderungen in einem selbst. Das Selbstvertrauen für Projekte dieser Art wächst und die gute Laune auch. Und das Buch kommt auf die Liste der Dinge, die einen überdauern – selbst wenn es nur das Pflichtexemplar in der Nationalbibliothek ist.

Über diese emotionalen Momente hinaus spielen auch andere Aspekte eine Rolle. Ich empfand es als spannend und bereichernd, sich auf eine Branche einzulassen, die ich nur vom Hörensagen kannte. In meinem Berufsleben war ich mit den unterschiedlichsten wirtschaftlichen Zweigen und Prozessen konfrontiert, darunter auch im kreativen Bereich, nämlich Film. Die Buchbranche hat da eine ganze Reihe neuer Perspektiven und Erfahrungen hinzugefügt.

Das betrifft einerseits die Literaturagenturen und Verlage, andererseits die Szene des Selfpublishing. Die innere Ansicht von Agenturen und Verlagen blieb mir zwar verwehrt, aber die paar Berührungspunkte von Außen und das, was mir bei Recherchen unterkam, hat ein Bild entstehen lassen, das ich so nicht kannte.

Außerdem komme ich als Autor von einem Roman im Selfpublishing gar nicht umhin, mich um Details zu kümmern, die sonst Aufgaben der Verlage sind. Ich rede insbesondere von sachbezogenen Arbeiten wie Korrektorat, Coverlayouts und Druckvorbereitung. Das empfand ich ausgesprochen lehrreich, weil es die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten wieder auf ein gesundes Maß zurechtstutzt. Ich hielt mich zum Beispiel in Rechtschreibung immer für ziemlich kompetent. Hier in der Praxis gab es allerdings eine Menge von Dingen, die ich nicht wusste oder beherrschte, woran nicht nur die diversen Rechtschreibreformen Schuld tragen. Gott sei Dank gibt es den Duden, der so gesehen unbedingt auf die Liste der hilfreichen Bücher gehört.

Was die alternativen Wege Verlagsveröffentlichung oder Selfpublishing angeht, bin ich immer noch indifferent, vor allem, wenn ich von Debütautoren im Allgemeinen ausgehe. Beide Wege haben Vorteile.

Das Selfpublishing bietet die Möglichkeit, den vollständigen Weg eines Buchs kennenzulernen. Vom Entwickeln einer Geschichte über das Schreiben, die Druckvorbereitung und den Verkauf bis hin zum begleitenden Marketing. Für diejenigen, die Bücher bisher nur als Leser kannten, ist es ein umfassender Blick auf die andere Seite.

Konkret ist man mit einem Roman im Selfpublishing erheblich schneller als ein Verlag, auch weil alle Entscheidungen beim Autor liegen, was ebenfalls ein Vorteil ist. Die relativen Tantiemen pro Buch sind deutlich höher. Was den absoluten Betrag angeht, so hängt der natürlich von der verkauften Stückzahl ab.

Ein Buchverlag wiederum bietet professionelle Begleitung der kreativen Arbeit: Dramaturgie, Stil, Lektorat, Korrektorat, verkaufskompatible Titelauswahl und Covergestaltung. Vor allem die Einflussnahme auf Titel und Cover mag mancher Autor als Eingriff in die persönliche Gestaltungsfreiheit sehen, aber alles andere ist eine deutliche Erleichterung. Das schont übrigens auch die Finanzen derjenigen, die sich ein Korrektorat oder die Druckvorbereitung nicht zutrauen und diese Arbeiten an einen Dienstleister nach Außen geben.

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Korrektorat beim Buch schreiben

Meine zugegebenermaßen naive Idee des Testlesens bezog sich ausschließlich auf die Inhalte: Stoff, Personen, Dramaturgie und Sprachstil. Darauf sollten sich die Testleser konzentrieren, mit möglichst wenig Ablenkung. Als ich den Druck der Leseexemplare in Auftrag gab, war ich überzeugt, eine nahezu fehlerfreie Vorlage benutzt zu haben. Spott und Hohn, kann ich nur sagen. Das Feedback in Sachen Korrektorat, also Rechtschreibung, Interpunktion bis hin zum Satzbau war für mich eine wirkliche Überraschung. Meine braven Testleser hatten – trotz der Aufforderung, sich aufs Lesen zu konzentrieren – eine geballte Ladung von Korrekturen gemacht. Also nicht nur Stilblüten, Stolpersteine oder Verständnisfragen, sondern „echte“ Korrekturen. Zwei Testleserinnen hatten richtige Listen angelegt. Klar, mit Germanisten und Lehrerinnen in der Crew muss man damit rechnen. Dankbarkeit war angesagt.

Irritierend fand ich, dass sich die gefundenen Fehler bei den Testlesern wenig überschnitten, was ja heißt, dass ihnen individuell jeweils nur ein Teil aufgefallen war. Als ich beim Einpflegen dieser Korrekturen erneut weitere Fehler entdeckte, beschloss ich, eine zusätzliche komplette Durchsicht, also ein weiteres Korrektorat zu machen. Über Tage hinweg habe ich mir Kapitel für Kapitel das Buch laut vorgelesen. Und es fand sich immer noch genug. Nur wenige richtige kapitale Fehler, aber zum Beispiel jede Menge Interpunktionsfragen. Die ließen sich zwar so oder so beantworten, aber schon wegen der Durchgängigkeit war es besser, sich für eine Version zu entscheiden und dabei zu bleiben.

Für die, deren Stirn jetzt das Wort „Rechtschreibprüfung“ mit einem Fragezeichen zeigt, habe ich wenig Trost. Die Rechtschreibprüfung findet nur eindeutige Fehler – wie Wörter, die nicht existieren. Sobald zum Beispiel ein Verb, das es ja in verschiedenen Konjugationen und in verschiedenen Tempi gibt, in irgendeiner dieser Möglichkeiten dasteht, wird es von der automatischen Prüfung nicht markiert. Das Gleiche gilt für die Deklinationsformen von Substantiven. Genau diese Fehler übersieht man gerne während des flüssigen Lesens, was in einem Buch der Normalfall ist.

Nach Abschluss des Korrektorats gab es in meinem eigenen Testleserexemplar keine einzige Seite mehr, auf der nicht Verbesserungsbedarf markiert worden war. Ich vermute überschlägig, es sind auf den circa 250 Seiten über 1.000 Korrekturen. Ich frage mich immer wieder, was alles zu finden wäre, würde man gekaufte Bücher so akribisch durchgehen. Oder anders gesagt: Wo bewegt sich ein professionelles Korrektorat im Vergleich mit Crowd-Korrektoren in Gestalt von Testlesern nach circa fünf Korrekturdurchgängen?

Ein grundsätzliches Problem beim Korrigieren zeigt sich darin: Je öfter man den Text liest, desto mehr tritt der Inhalt in den Hintergrund und die Worte nach vorne. Das bringt eine Zunahme von Irritationen mit sich. Es fallen Wortverdopplungen auf, die über große Strecken gehen. Oder die fixe Idee setzt sich fest, das vergangenheitsverbundene Wort „war“ wäre zu oft im Text. Kann man aber nicht gut ersetzen. In jedem anderen Buch ist es im Übrigen genauso oft zu finden.

Es entsteht eine Tendenz zu übersteigerter Sensibilität. Vorsicht ist geboten, nicht vor lauter Korrekturen den Textfluss (und schlimmer: den Sinn) zu ruinieren. So lange die Option eines Verlags mit angeschlossenem Korrektorat im Raum steht, kann durchaus ein bisschen Arbeit übrig bleiben. Beim Selfpublishing ist das anders. Da ist eigenes Kümmern angesagt – mit klaren Grenzen.

Wie an früherer Stelle gesagt, bergen Korrekturen gewisse Risiken, wenn Textteile bzw. eine Druckversion des Manuskripts den Schreibtisch des Autors verlassen haben. Je mehr Versionen unterwegs sind, und das gilt auch für den eigenen Computer, um so weniger blickt man durch, wo welche Korrekturen bereits gemacht wurden.

Spätestens wenn die Testleser mit dabei sind, kommen die Korrekturen auf den unterschiedlichsten Wegen: im Fragebogen, per E-Mail im Text oder als Anlage mit verschiedensten Dateiformaten, handschriftlich, per Brief oder am Telefon. Am besten sammelt und strukturiert man das alles an einem einzigen Ort. Vor allem dann, wenn diese Korrekturen nicht auf einmal umgesetzt werden, sondern in mehreren zeitlichen Schritten. Korrekturen zu sammeln, empfiehlt sich im Übrigen auch, um die Überschneidungen bzw. Mehrfachnennung einer Korrekturstelle sichtbar werden zu lassen.

Erst im Nachhinein ist mir klar geworden, wie wichtig die Rolle der Testleser ist. Vor allem Selfpublishing-Autoren finden mit kompetenten Testlesern eine Unterstützung, die gegebenenfalls über ein bezahltes Auftragslektorat hinaus geht. Das ist eine provokante Meinung, aber ein einzelner Lektor kann nicht die unterschiedlichen Perspektiven und divergierenden Meinungen einer Vielzahl von Personen darstellen. Das macht es auch für den Autor manchmal schwierig, weil er bei Parität verschiedener Auffassungen eine eigene Entscheidung treffen muss, welcher er folgt. Vorteil wiederum ist, bei einer guten Mischung von Testlesern (Geschlecht, Alter, Beruf, Leseerfahrung etc.) ein Gespür zu bekommen, welche Zielgruppe das eigene Manuskript anspricht. Ganz zu schweigen, von der an Schwarmintelligenz heranreichenden Kompetenz in Sachen Korrektorat, also Rechtschreibung, Interpunktion und Stilfragen.

Fähige und interessierte Testleser sind ein extrem wichtiger Punkt bei der Entstehung eines Buchs. Rezensionen kommen zu spät, weil das Buch bereits veröffentlicht ist. Außerdem bezieht sich da Lob oder Tadel mehr auf allgemeine Aspekte der Geschichte bzw. auf den Stil des Autors. Lektoren von Verlagen oder Agenturen sind auch nicht hilfreich. Sie schmettern Manuskripte ohne Feedback ab. Wirkliche Kritik bekommt man von denen nur, wenn sich ein erstes Buch gut verkauft hat und klar ist, dass das zur Diskussion stehende im gleichen Verlag erscheinen wird. Eine konstruktive und zielgenaue Kritik erhält man vor allem von Freunden oder Wohlmeinenden. Deren Reaktion verschafft am ehesten einen vielseitigen Überblick, wie die Geschichte, Ausdrucksweise und Schreibstil des Autors ankommen.

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Lektorat beim Buch schreiben

Ein professionelles Lektorat kann man zumindest teilweise durch Testleser ersetzen – wenn man die richtigen hat. Das Feedback meiner Testleser im freien Textfeld des Antwortbogens erwies sich durch die Bank weg als ausgesprochen interessant. Den einen war der Anfang verglichen mit dem Rest zu statisch, andere fanden den Schluss zu schnell („da wolltest du wohl fertig werden“). Eine Testleserin diagnostizierte zeitweilige Müdigkeit bei manchen Szenen. Alle haben irgendwo recht.

Auch als Novize beim Schreiben merkt man, dass aller Anfang schwer ist, und es erst nach einiger Zeit und vielen Zeilen flüssig läuft. Es gibt Szenen, da geht alles wie von selbst, andere sind eher zäh. Die Routine des gleichmäßigen Schreibens kommt wahrscheinlich nicht vor dem dritten Buch. Im Moment – fürchte ich – sind das noch ferne Welten.

Ich vermute, zwei Dinge spielen eine Rolle: Die ursprüngliche Geschichte – ein Exposé für einen Fernsehfilm – war dreißig Jahre alt (daher das Jahr 1988). Da vermischen sich jüngere mit älteren Elementen. Es gibt eine Reihe von Szenen, die dokumentarischen Charakter haben. Die Szene im Club ist so eine. Nun waren wir während unserer USA Dreharbeiten nicht ständig in Table Dance Clubs, aber die Vorlage für diese Szene war ein entsprechendes Etablissement direkt neben unserem Motel in Indianapolis. Das hatte schon was sehr Eigenes, und diesen Abend habe ich heute noch gut vor Augen. Offensichtlich macht sich das in der Schreibe bemerkbar.

Eine Testleserin, selbst Autorin von Sachbüchern und erfahren im Lektorat, holte in einem Telefongespräch weit aus. Sie hielt sich erst gar nicht mit Rechtschreibfehlern oder diskussionswürdigen Stilfragen auf, sondern sprach gezielt dramaturgische Schwächen an, die ihr aufgefallen waren.

In der Essenz ging es um Fragen, wie sich der Protagonist im Lauf des Buchs bzw. der Handlung verändert. Hat er sich „entwickelt“ (muss er!), und wenn ja, wohin (offen). Sie hatte da einen wunden Punkt getroffen, der von keinem der anderen Testleser angesprochen worden war, der aber in der Schreibliteratur ein Klassiker ist.

Problem ist die Kollision mit meiner eigenen Lebenserfahrung. Demnach kommt Steve genau so nach Chicago zurück, wie er da 14 Tage früher weggefahren ist. Menschen im Alter von 30 Jahren ändern sich nicht mehr grundlegend und schon gar nicht innerhalb von zwei Wochen. Angeblich will das aber der Leser. Gibt man es ihm?

Ich schwankte lang, auch weil mir nicht gefiel, in einem Roman, der in erster Linie gute Unterhaltung bieten will, zu sehr ins Psychologische abzudriften. Was ich mir gut vorstellen konnte, war eine Phase der Reflexion zu einem Zeitpunkt, da die größten Herausforderungen hinter Steve lagen. So etwas, wie Revue passieren lassen, um Gedanken zu sortieren, Geschehnisse einordnen zu können und die eigene Beziehung zu Personen neu zu definieren. Eine solche Szene erschien mir plausibel, und daraufhin schrieb ich ein komplettes zusätzliches Kapitel, in dem Steve eine historische Plantage außerhalb von Charleston besucht, die Magnolia Plantation.

Von einem meiner Filmleute bekam ich folgenden Kommentar:

„Obwohl mir das Cover gefällt, macht mich der Titel nicht neugierig. Ich habe aber keine bessere Idee. Aber irgendwas mit dem Auto fände ich eigentlich gut, Chevy 64 oder so. Oder die Geographie spezifizieren, z.B. mit den Appalachen, à la „Abenteuer in den Appalachen“, „Entscheidung in Charleston“. Das sind nicht wirklich ernst gemeinte Vorschläge. Titel sind sauschwer und man muss die blödesten Ideen durchkauen, um einen guten zu finden. Keine Ahnung, ob du da noch flexibel bist. Als Filmemacher erlebt man das ja ständig – und zu meiner Überraschung kommen doch immer wieder bessere Titel heraus, als man selbst hatte.“

Zur Erinnerung: Die Leseexemplare trugen den Titel „Ruhe im Süden“ mit dem Untertitel „Ein amerikanisches Abenteuer“. In den Monaten des Schreibens hatte ich mich so daran gewöhnt, dass ich ihn überhaupt nicht mehr in Frage gestellt habe. Auch die Mehrzahl der Testleser hatten ihren Gefallen daran kundgetan, und damit war ich endgültig eingelullt.

Dann kam jemand und fragte: warum „Ruhe im Süden“? In der Geschichte geht es im Süden, also in Charleston, doch gar nicht so ruhig zu … Da kapierte ich, dass ich es mit dieser Analogie zu weit getrieben hatte. Ein neuer Titel musste her!

Es war ein längerer Prozess, während dessen ungezählte Vorschläge geboren, durchgekaut und wieder verworfen wurden. Mir gefiel die Idee, den Chevy als dinglichen Protagonisten mit einzubeziehen und den Roadtrip-Charakter des Buchs zur Geltung zu bringen. Als die Entscheidung stand, war es dann Chicago-Chevy-Charleston. Das Auto ist dabei, die Ortsveränderung und der USA-Bezug. Der Titel hat einen hohen Aufmerksamkeits- und Wiedererkennungswert, und – last not least – machen sich die drei „CH“ auf dem Titelbild grafisch gut.

Allerdings war das nach wie vor ein Arbeitstitel. Die Entscheidung, ob ein Verlag oder ich selbst das Buch veröffentlichen würde, war noch nicht gefallen und mitnichten meine Entscheidung allein. Wenn ein Verlag einsteigen würde, wäre die Diskussion über den Buchtitel neu eröffnet.

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