Daisy Montana – mein zweiter Roman, ein Wissenschaftsthriller

Vor wenigen Wochen habe ich meinen zweiten Roman „Daisy Montana“ veröffentlicht. Darin geht es um eine künstliche Intelligenz und ich kann das sagen, ohne vor Scham rot zu werden. Das Thema sprang mich vor drei Jahren an, als nur Insider von der Existenz einer Firma OpenAI wussten und es weder ChatGPT noch Dall-E und Kollegen gab.

Nach der Fertigstellung meines ersten Romans „Chicago-Chevy-Charleston“ war erst mal die Lauf raus. Ich hatte das Projekt durchgezogen, mir selbst bewiesen, dass ich es konnte und die gefühlte Verpflichtung gegenüber dem wirklichen Protagonisten, der schon lange nicht mehr lebt, abgetragen.

Dann begegnete mir Tim Urban. Nicht persönlich, aber in Form seines überragenden Blogs Wait but Why und besonders seines zweiteiligen Beitrags über künstliche Intelligenz. Der traf mich fast wie ein Schlag ins Gesicht. Urban beschrieb in seiner unnachahmlichen Art mit schlichten Sätzen und Grafiken, die von Strichmännchen bewohnt werden, über die Gesamtgemengelage bei der Forschung zu KI, insbesondere dem terministischen Moment einer Superintelligenz.

Es wirkte wie ein Weckruf. Tim Urban vermittelte mir eindringlich, dass künstliche Intelligenz langfristig gleichzusetzen sei mit der industriellen Revolution in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Allerdings hätten die Auswirkungen nicht nur finanzielle Folgen für unterschiedliche soziale Schichten (für die einen gute, für die anderen schlechte …), sondern bedeuteten eine elementare Entscheidung zwischen dem möglicherweise ewigen Leben des Menschen oder dem Ende der Menschheit. Das mag übertrieben klingen, aber die Diskussion heute, da KI zu einem riesigen Thema geworden ist, zeigt bei genauem Hinsehen in ähnliche Richtung.

Das Thema hatte mich gepackt, und ich las dazu alles, was erreichbar war, wobei ein Buch Maßstäbe setzte, und das ist Nick Bostroms Standardwerk „Superintelligenz“.

Gleichzeitig gefiel mir zunehmend die Idee, das Knowhow, das ich im Lauf des ersten Buchs gewonnen hatte, erneut zur Anwendung zu bringen und dabei auch meinen eigenen Schreibstil zu verfeinern. Ein zweiter Roman wäre die ideale Möglichkeit zur Umsetzung all der guten Ratschläge, die man als Autor im Verlauf des ersten Buchs bekommen hat inklusive der eigenen Erfahrungen während dieser Zeit. Die Vorstellung, wieder zu schreiben, gefiel mir immer besser.

Mit jedem Tag, der verstrich, verschwamm auch das erste Buch als ein Teil der eigenen Geschichte und machte Platz für neue Ideen. Ich überlegte, wie sich die schwer fassbare Forschung zur Superintelligenz, die etablierten wissenschaftlichen Prinzipien folgt, zu einer spannenden Geschichte verdichten ließ.

Ein unmittelbarer Anknüpfungspunkt war die dort immer wieder genannte Gefahr des „Ausbruchs“ und wie dieser verhindert werden könnte. Vereinfacht wird damit beschrieben, dass ab einem schwer erkennbaren Punkt die KI über genügend „Intelligenz“ und Selbstreflexion verfügt, ihre eigene Abhängigkeit vom Menschen zu erkennen und das ändern zu wollen. Ziel wäre dann, sich auf eigene Beine zu stellen und das Labor zu verlassen, auch wenn das nicht zwangsläufig physisch gemeint ist.

Es gibt eine große Menge wissenschaftlicher Artikel darüber, wie das verhindert werden könnte. Ungeachtet dessen, ob das im realen Leben so funktionieren würde oder nicht, war damit ein wichtiger Teil des Setups einer potenziellen Story vorgezeichnet: Das Umfeld muss fernab von jeder Zivilisation liegen, die Labore dürfen über keine Kommunikationsmöglichkeiten verfügen, die eine erwachende Super-KI nutzen könnte, und ihre „Wächter“ bzw. Programmierer sollten selbst auch keinen Weg nach Außen kennen, den die KI durch manipulative Strategien erfahren könnte. Und: mehrere Wissenschaftler jeweils alleine an unterschiedlichen Standorten. Das klang gut.

Damit stand das Setting. Auch der erste Konflikt ist zwangsläufig in Form einer ahnungslosen Person, die sich in dieses Szenario verirrt. Aber wie geht es dann weiter? Es war ein langer Kampf mit ganz unterschiedlichen Wegen, die die Geschichte hätte einschlagen können. Es hat sich schließlich gefügt – auch mit Hilfe eines Manuskriptgutachtens von Lektorenseite. Außer dem Rat, den bisherigen Bestand des Manuskripts radikal zu kürzen, gab es Tipps, welche dramaturgischen Schritte als nächstes in Frage kämen. Bei den Kürzungen blutete mir das Herz, es waren tatsächlich mehr als 20% des bisher Geschriebenen, aber es war total richtig. Die Geschichte gewann an Fahrt, Spannung und  die dramatische Eskalation war nahezu eindeutig.

Was mir wichtig ist, hier nach Außen zu bringen, ist einerseits die Schwierigkeit, wissenschaftliche oder auch nur sachlich komplexe Umstände in einer Geschichte verständlich darzustellen, ohne dass darunter der Spannungsbogen oder der Plot leidet. Ich meine, mit der Zeit, die ich mir gegeben habe, ist das gelungen. Unter Zeit- oder Abgabedruck hätte ich ein echtes Problem bekommen. Andererseite weiß ich nun endgültig, dass bei einem nächsten Buch die Geschichte komplett „dicht“ sein muss, bevor der erste ernst gemeinte Satz aufs Papier kommt.

Über meine aktuellen Erfahrungen in Sachen Literaturagenturen, Verlage und Amazon schreibe ich im nächsten Beitrag. Dass Buch und eBook aktuell exklusiv bei Amazon erhältlich sind, sagt aber schon einiges. Eine Leseprobe gibt es hier auf der Home-Seite.

Bild: KI-generiertes Motiv von DALL-E

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Schreibratgeber: Hugh Howey’s Writing Insights

Hugh Howey’s Writing Insights lernte ich kennen, als ich vor ein paar Jahren auf unergründlichen Pfaden unterwegs war, um von erfahrenen Autoren gute Ratschläge für das Schreiben von Geschichten zu finden. Das Wort ‚Roman‘ nahm ich damals noch nicht in den Mund. Ich stieß auf den Blog von Hugh Howey. Howey kannte ich, weil ich Bücher von ihm gelesen hatte. Sein zentrales Werk, um es mal so zu nennen, war und ist „Wool“ (deutsche Ausgabe: „Silo“), das sich nachfolgend mit einem Prequel („Level“) und einem Sequel („Exit“) zu einer Trilogie entwickelte. Das Wort „Wool“ hat im übrigen nichts mit Strickwolle oder Wollpullovern zu tun, sondern ist der Begriff für die Lappen, mit denen diejenigen, die das Silo verlassen wollten oder mussten, die Scheiben von Außen reinigen sollten.

Obwohl „Wool“ unglaublich erfolgreich war und noch ist, hat es hat zehn Jahre gebraucht, bis sich jemand für eine adäquate Verfilmung bereit fand. Mittlerweile ist es ein Glücksfall für die Leser von „Wool“ und die Streaming-Abonnenten von Apple TV+, dass die Geschichte von Juliette, Sheriff Becker und all den anderen in einer ersten Staffel auf den Bildschirm kam. Meine Meinung tendiert dahin, die Bücher vorzuziehen, weil sie erzählerisch deutlich mehr auf den Punkt kommen. Dafür hat die Serie den Vorteil, visuell wirklich gelungen umgesetzt zu sein, auch wenn sich die Story irgendwann zieht wie ein mundwarmes Kaugummi.

Die Erstausgaben von „Wool“ hat Hugh Howey als Selfpublisher veröffentlicht. Aus den Erfahrungen, die sich vom Schreiben des ersten Satzes bis zur Veröffentlichung angesammelt haben, hat er innerhalb seines Blogs eine eigene vierteilige Serie gemacht mit dem Titel „Writing Insights“. Die erschien 2017 und ist erfreulicherweise auch heute noch dort zu finden. Die Texte sind logischerweise auf Englisch, können aber, da frei zugänglich, problemlos per copy & paste in ein Übersetzungsprogramm geladen und anschließend auf Deutsch gelesen werden.

Die vier Teile von Hugh Howey’s Writing Insights sind überschrieben mit:

  • Ein Schriftsteller werden (Becoming a Writer)
  • Der grobe Entwurf (The Rough Draft)
  • Der Überarbeitungsprozess (The Revision Process)
  • Dein Buch veröffentlichen (Publishing Your Book)

Der erste Teil hat einen ausgeprägt motivierenden Charakter und versucht, ein paar Wegweiser zu setzen, wie sich ein Schreib-Novize in der manchmal etwas seltsam anmutenden Welt von Literatur und Verlagen zurechtfindet. In Teil 4 bricht Howey die Lanze für das Selfpublishing. Das ist interessant zu lesen, aber nicht der Weisheit letzter Schluss, zumal sich der deutschsprachige Markt vom englischsprachigen bzw. amerikanischen erheblich unterscheidet.

Für angehende Schriftsteller am interessantesten sind eindeutig die Teile 2 und 3, wo es um die Praxis geht. Schon die Unterteilung in zwei eigene Blogbeiträge unterstreicht, welche Bedeutung Howey der Überarbeitung zumisst. Die ist für ihn fast wichtiger als die Rohfassung des Manuskripts. Das erinnert an den Rat Jessica Brodys Save the Cat! – Writes a Novel, erst mal einen Haufen Mist zu schreiben, weil Mist Dünger für Besseres sei und damit eine gute Grundlage für anschließende Überarbeitungen und Korrekturen. Aber vielleicht hat die es ja auch bei Hugh Howey gelesen.

Eine Einschränkung ist insofern zu machen, als sich in Howeys Einteilung ein großer Teil des Schreibprozesses in die Überarbeitung verlagert wird. Das beginnt mit der Ansage „Der Rohentwurf muss nicht gut sein“ und setzt sich fort mit der Feststellung, dass der größte Teil des Schreibens abseits der Tastatur stattfindet und es völlig okay ist, ganze Szenen und Kapitel auszulassen. Das führt konsequent dazu, dass der von ihm beschriebene grobe Entwurf fast auf eine Skizze oder Outline reduziert wird, die sich erst in der Überarbeitung mit Sätzen und Leben füllt. Das ist ein interessanter Gedanke insofern, als damit vermieden wird, sich beim Schreiben in Verästelungen und Geschichten zu verlieren, die die Linie der Geschichte aus den Augen verlieren. Zudem wird die ewige Diskussion um Plotten und Pantsen nahezu überflüssig, weil sich das Pantsen auf Strukturebene dem Plotten stark annähert.

Unabhängig, ob im Rahmen eines Entwurfs oder bei der Überarbeitung, hat das Schreiben abseits der Tastatur unbedingt etwas für sich. Nach meiner Erfahrung kommen, so weit die Idee einer Szene schon steht, die besten Ideen hinsichtlich Ausstattung und Dialogen tatsächlich in denen Momenten, wo die Gedanken frei schweifen können: in der Sauna, öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Wandern oder Schwimmen. Jede Minute ohne äußere Einflüsse kann nutzen, um sich sich den Fortgang der eigenen Geschichte vorzustellen. Die einzigen Orte, wo es entschuldbar ist, keinen Stift und Papier dabei zu haben, sind die Sauna und das Schwimmbecken. Spätestens im Bademantel muss beides verfügbar sein.

Weil der Überarbeitung nicht nur viel Raum gegeben, sondern auch Verantwortung aufgebürdet wird, empfiehlt Howey ein Dutzend oder mehr Durchgänge. Damit ist klar, wann und wo bei ihm das Buch mit Sätzen gefüllt wird. Zitat: „Jeder Durchgang glättet nach und nach raue Stellen und Fehler. Es ist, als ob du ein grob behauenes Stück Holz in ein poliertes Möbelstück verwandelst. Du fängst mit grobem Schleifpapier an und arbeitest dich bis zum Nassschleifen eines Tippfehlers hier oder da vor.“

Howey geht sogar so weit, die Entscheidung über Erzählperspektive und -zeit in die Überarbeitung zu verlagern. Da kann man unterschiedlicher Meinung sein, ob das sinnvoll ist, weil das nicht nur eine technische Frage ist, sondern die grundlegende Perspektive eines Romans betrifft.

Hugh Howey: Blog Logo

Hugh Howeys Blog

Hugh Howey’s Writing Insights sind weniger Schreibratgeber als Erkenntnisse und Einsichten aus seiner eigenen langjährigen Entwicklung als Romanautor. Es ist weniger ein „Soll“, als ein „Ich hab alles mögliche ausprobiert, und das war das Beste“. Und er redet weniger über das Schreiben als über Strukturen, mit denen der Schreibprozess optimiert werden kann.

Nicht zuletzt ist Howey ein großer Motivator. Viele Reflexionen aus seinem eigenen Autorenleben zeigen anschaulich, dass es vor allem auf das Durchhalten ankommt, dadurch aber auch jedes Manuskript ein bisschen besser wird. Dazu gehört, die Erfahrungen aus dem Vorherigen zu beherzigen. So gesehen sind Hugh Howey’s Writing Insights total aus der Praxis und in einem persönlichen Stil geschrieben, der seine Einsichten überzeugend transportiert.

Writing Insights; von Hugh Howey; auf seinem eigenen Blog: hughhowey.com/blog/

Photo by PAN XIAOZHEN on Unsplash

Die meisten Autoren längerer Geschichten haben wahrscheinlich diverse Schreibratgeber im Regal stehen. Warum auch nicht? Es ist deutlich effizienter, sich spezielle Kenntnisse von professionellen Autoren anzueignen, als entsprechende Erfahrungen selbst machen zu müssen. Wie alles sind aber auch Schreibratgeber unterschiedlicher Qualität und sie beleuchten verschiedene Aspekte des selben Themas. In dieser Reihe möchte ich ein paar Worte über die Schreibliteratur verlieren, die ich gelesen habe und die möglicherweise auch für andere interessant sein könnte. Die Zielgruppen dieser Ratgeber unterscheiden sich teilweise aber erheblich.

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Schreibratgeber: How to Write Best Selling Fiction

How to Write Best Selling Fiction von Dean Ray Koontz ist der zweite Schreibratgeber in dieser kleinen Reihe. Dean Ray Koontz ist ein amerikanischer Autor, der für seine Thriller bekannt ist, die Elemente aus Horror, Mystery und Science Fiction miteinander verbinden. Er hat im deutschsprachigen Raum eine feste Lesergemeinde, die aber nicht vergleichbar ist mit amerikanischen Autoren wie Stephen King, John Grisham und ähnlichen. Mit diesen liegt Koontz aber im englischsprachigen Raum nicht nur gleichauf, sondern übertrifft sie teilweise. Sein endgültiger Durchbruch war der 1980 erschienene Roman Whispers (deutsche Ausgabe „Flüstern in der Nacht“), der den Stil seiner zukünftigen Werke prägte. Koontz hat mittlerweile weit über 100 Romane, Novellen und Sammlungen von Kurzgeschichten veröffentlicht. Viele seiner Bücher standen an der Spitze der New York Times Bestsellerliste und wurden in 38 Sprachen übersetzt, was seine internationale Anziehungskraft unterstreicht. Mehrere seiner Werke wurden auch für Film und Fernsehen adaptiert. Warum er in Deutschland nicht bekannter ist, müsste man den Verlag fragen. An seinen Plots oder seinem Stil liegt es definitiv nicht.

1981 veröffentlichte Koontz das Sachbuch How to Write Best Selling Fiction, das leider nur auf Englisch und mittlerweile nur noch antiquarisch zu bekommen ist. Dabei werden meistens absurde Preise von bis zu mehreren Hundert US-Dollar aufgerufen. Man kann es aber ohne Probleme über WorldCat bei vielen Bibliotheken online ausleihen.

Dieser Schreibratgeber, der mit Sicherheit auf einer Schreibmaschine verfasst wurde, hat also ein paar Jahre auf dem Buckel, was aber seiner Klasse und Aktualität keinen Abbruch tut. Koontz schreibt heute mit seinen beinahe 80 Jahren immer noch Bücher und die sind ebenso erfolgreich wie seine früheren.

Von den diversen Büchern über das Schreiben von Büchern ist dieses das umfassendste. Auch daran macht sich fest, dass der Autor selbst Schriftsteller ist und einen unglaublichen Schatz an Erfahrungen hat. Knapp zehn Jahre vor Erscheinen von How to Write Best Selling Fiction hatte Koontz schon einmal einen Schreibratgeber („Writing Popular Fiction“) veröffentlicht, der ihm eine positive Resonanz und unzählige weitere Fragen von Schriftsteller-Aspiranten einbrachte, die er jetzt mit einbezieht. Außerdem hatte er das Gefühl, sich selbst als Autor so viel weiter entwickelt zu haben, dass er auch dieses zusätzliche Know-how mitteilen wollte. How to Write Best Selling Fiction ist also ein Schreibratgeber, der wirklich auf Erfahrung, Kenntnis und Praxis aufbaut, und damit perfekt geeignet ist, sich Rat und Hilfe bei nahezu allen Problemen des Schreibens zu holen.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Ratgebern beleuchtet Koontz wirklich ALLE Aspekte der Arbeit am Manuskript. Er beginnt mit dem Erstellen und Strukturieren einer Handlung, wobei er echt originelle Vorschläge hat. Er spielt mit kontrastierenden Wörtern, über spannende Buchtitel, die zu einer Geschichte führen können, bis zu einfach hingeschriebenen ersten Sätzen oder Absätzen, die die Phantasie des Autors so in Gang bringen, dass es zu einem Kreativitätsfluss kommt. Er schreibt über „Action“, die Bewegung innerhalb einer Geschichte, die den Leser am Ball hält, und über die Helden, Hauptfiguren und Charaktere, die im schlechtesten Fall eine Geschichte ruinieren, im besten Fall in den literarischen Himmel heben können. Seine Empfehlungen gehen dabei so weit, die Details einer Figurenbeschreibung bis dahin auszudehnen, dass der Autor die Figur ebenso gut zu kennen meint wie einen eigenen Freund.

Interessant auch sein Kapitel über Plausibilitäten und Motivation, in dem er einen fiktiven warnenden Finger hebt, es nicht zu übertreiben mit all dem, was der Autor in einer Geschichte auffährt, weil sonst irgendwann die Glaubwürdigkeit auf der Strecke bleibt. Weiter geht es mit dem „Hintergrund“ einer Geschichte. Dem Ort, an dem sie stattfindet, Ethnie und sozialer Background der Hauptfiguren, aber auch technische Details. Koontz verdeutlicht das an der Frage, ob ein Schalldämpfer an einem Revolver angebracht werden kann (nein, geht nicht) oder an Pflege und Fütterung eines Schnabeltiers, wo es ebenfalls Sinn macht, sich als Autor kundig zu machen, bevor der wissende Leser das Buch kopfschüttelnd in die Ecke legt.

Schließlich gibt es noch Ratschläge in Sachen Grammatik und Stil. Wer keine Grammatik beherrscht, sollte besser Atomphysiker oder Neurochirurg werden, so sein Credo, und Stil kann man nicht lernen, sondern nur entwickeln. Im Zusammenhang mit Stil kommt Koontz auf den Dialog, den er als ein wichtiges Stilelement sieht, weil eine tägliche Konversation zwischen zwei Menschen immer anders verläuft als ein Dialog im Buch. Er behauptet, Dialoge wären für den Rhythmus einer Geschichte unerlässlich und es würden nur wenige Romane gekauft, die weniger als 20 oder 30 Prozent Dialog enthalten. Über mehrere Seiten werden hier Beispiele für unterschiedliche Dialoge in verschiedenen Situationen gebracht, die sein Anliegen gut verdeutlichen. Überhaupt ist es eine große Qualität von Koontz, alles, was er vermitteln will, an vielen Zitaten aus seinen eigenen Büchern zu verdeutlichen.

Cover

Klar, wie der Titel schon sagt, haben wir es hier mit einem Ratgeber zu tun, der auf das Schreiben von Bestsellern, also Mainstream abzielt. Trotzdem gelten viele der darin gegebenen Hinweise genauso für andere Genres. Spannende, interessante und sympathische Charaktere will der Leser fast immer, um ein gewisses Maß an Identifikationspotenzial zu bekommen, und er ist dankbar für eine plausible Geschichte, die einen realistischen Hintergrund besitzt.

Ein Typ wie Koontz, der laut Wikipedia unglaubliche 500 Millionen Bücher verkauft hat, kann nur über Mainstream reden. Auch er vertritt das Erzählmuster der „Heldenreise“, aber er macht das im Vergleich zu dem ersten Schreibratgeber dieser Reihe „Save the Cat“ (Link) erheblich strukturierter, weniger penetrant und formalistisch und dafür mit anschaulichen Textbeispielen.

Fazit: Wenn jemand auf dem Weg zum Autoren nicht viele, sondern nur einen Ratgeber lesen will, der ein umfassendes Bild mit vielen Beispielen gibt, und das von einem der unbestritten erfahrensten Bestsellerautoren der Welt, dem sei dieser empfohlen.

How to Write Best Selling Fiction von Dean Ray Koontz; ISBN 978-0898790450

Photo by Daria Kraplak on Unsplash

Die meisten Autoren längerer Geschichten haben wahrscheinlich diverse Schreibratgeber im Regal stehen. Warum auch nicht? Es ist deutlich effizienter, sich spezielle Kenntnisse von professionellen Autoren anzueignen, als entsprechende Erfahrungen selbst machen zu müssen. Wie alles sind aber auch Schreibratgeber unterschiedlicher Qualität und sie beleuchten verschiedene Aspekte des selben Themas. In dieser Reihe möchte ich ein paar Worte über die Schreibliteratur verlieren, die ich gelesen habe und die möglicherweise auch für andere interessant sein könnte. Die Zielgruppen dieser Ratgeber unterscheiden sich teilweise aber erheblich.

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Schreibratgeber: Save the Cat! – Writes a Novel

Save the Cat! – Writes a Novel von Jessica Brody ist der erste Beitrag in dieser Reihe von Schreibratgebern. Das Buch erschien im Jahr 2018 auf Englisch und bis heute gibt es keine deutsche Übersetzung. Es ist ein Follow-up des Klassikers Save the Cat Goes to the Movies von Blake Snyder, der darin Hilfestellung beim Drehbuchschreiben gibt.

Das Buch gliedert sich in drei Teile: Der erste ist eine Anleitung, wie sich eine gelungene Geschichte in drei Akte und 15 sogenannte „Beats“ (Wendepunkte bzw. Entwicklungsphasen) unterteilt lässt. Diese werden im Rahmen des „Beat Sheets“ so optimiert, dass daraus ein nach dramaturgischen Konzepten generierter Plot wird. Ein solcher Plot besitzt großes Spannungspotenzial und hält damit den Leser bei der Stange.

Im zweiten Teil definiert Jessica Brody „Ten Genres“. Diese zehn Genres werden im Detail behandelt und anhand von dafür typischen Romanen verdeutlicht. Diese Romane stammen alle verständlicherweise von amerikanischen oder englischen Autoren, sind aber in deutschsprachigen Landen durchaus bekannt. Dabei sind bspw. Stephen King, J. K. Rowling, Ernest Cline und Paula Hawkins.

Der dritte Teil befasst sich mit häufigen Problemen, auf die Autoren während des Schreibprozesses stoßen können.

Durchgängiger Grundgedanke dieses Schreibratgebers Save the Cat! – Writes a Novel ist die absolute Notwendigkeit für den Helden, sich zu ändern. Die Hauptfigur startet am Anfang mit einem inneren Problem. Im Verlauf der Geschichte muss diese Person lernen. Sie muss sich entwickeln und am Ende der Geschichte ein anderer Mensch sein. Diese Idee zieht sich mit einer gewissen Penetranz durch das Buch.

Jessica Brody sagt: „Das Beat Sheet wird oft auch als Verwandlungsmaschine bezeichnet, und Sie können wahrscheinlich verstehen, warum. Ein fehlerhafter Held tritt auf der einen Seite ein und kommt auf der anderen Seite wie verwandelt wieder heraus! Im Grunde ist die Verwandlungsmaschine dazu da, die Helden umzuprogrammieren. Sie soll die Art und Weise ändern, wie sie denken, handeln und agieren.

Dieses Zitat formuliert den Grundgedanken dieses Schreibratgebers und damit auch die Engstirnigkeit seiner Form der Geschichtenerzählung. Der Satz sagt fast alles aus – im Positiven, aber auch im Negativen. Soll sich jeder Leser raussuchen, auf welcher Seite er steht, dann weiß er, ob Save the Cat! – Writes a Novel was für ihn ist oder nicht.

Mit einigen Fragezeichen zu versehen ist einige Zeilen später auch folgender Satz: „Letztendlich ist es das, was alle großen Geschichten tun. Sie programmieren die Helden um.“ Das Wort „alle“ in Kombination mit „große“ ist falsch. Es sind möglicherweise viele, aber nicht alle, und es sind auch mitnichten nur die „großen“ Geschichten.

Irgendwann wird es anstrengend, immer wieder an das innere oder spirituelle Ziel (Bedürfnis) erinnert zu werden, das die Hauptfigur, den „Helden“, zu einem besseren Menschen machen wird. Spontan fällt einem Stieg Larssons Lisbeth Salander ein, die viele Probleme und viele Bedürfnisse hatte, aber definitiv nicht das spirituelle Ziel, ein besserer Mensch zu werden.

Es gibt jede Menge Bücher, die dieser Struktur nicht oder nur in geringem Maß oder nur zu gewissen Teilen entsprechen. Außer, ja außer man definiert kaum sichtbare oder merkbare Details als Wendepunkte oder Ereignisse, in denen die Leitlinie von Save the Cat! – Writes a Novel erkennbar sein könnte. Dadurch wird dieser Grundgedanke wiederum so aufgeweicht und schwammig, dass er fast unglaubwürdig wird.

Dreht man das Ganze herum, heißt das: Es gibt viele Bücher, die in diese Struktur passen. Es gibt aber auch viele , die dieser Struktur nicht folgen und dennoch hervorragende Bücher sind. Die Vermutung liegt nah, dass die Autoren dieser Bücher aufgrund ihrer Erfahrung und ihrer Kenntnis des Schreibens diesen Schraubstock an Regeln nicht mehr benötigen. Im Umkehrschluss heißt das wiederum, diese Regeln sind denen eine Hilfe, die keine oder erst wenig Ahnung vom Schreiben haben.

Reichlich schlicht sind im übrigen die den jeweiligen Kapiteln nachgeordneten Fragebögen, die an schlechten Deutschunterricht in der Schule erinnern. Fragen wie „Lässt ihr Held eine alte Welt hinter sich und betritt eine neue?“ sind hart an der Grenze zur Zumutung für Leute, deren Plan mehr ist, als eine Fantasy-Kurzgeschichte zu schreiben. Insofern empfiehlt es sich immer wieder, die Lektüre dieses Ratgebers mit einer gewissen inneren Distanz anzugehen.

Die den zweiten Teil füllenden Genres sind zehn Archetypen, in die man nach Meinung von Jessica Brody „jeden großen Roman, der jemals geschrieben wurde“, einordnen kann. Das ist ein wahrhaft ambitionierter Anspruch. Aber vielleicht rettet sich Frau Brody damit, dass alle Romane, die da nicht reingezwängt werden können, eben keine großen Romane sind. Lassen wird es mal so stehen und wenden uns den gelisteten Genres zu. „Man nennt sie die Save the Cat!-Geschichtengenres“. Die unterscheiden sich nicht, wie möglicherweise irrtümlich angenommen, in Krimis, Komödien, Dramen, Horrorgeschichten oder sonstiges, sondern, wie sollte es anders sein, danach, welchen Typ von Verwandlung der Held durchmacht.

Zumindest haben die zehn Genres insofern einen Wert, als sie eine ausgesprochen hilfreiche Stütze sein können für Autoren, die sich noch nicht im Klaren sind, was für eine Geschichte sie schreiben wollen. Diese Frage lässt sich damit nicht nur klären, sondern auch mit einigen guten und vor allem praktikablen Ideen anreichern. Hat man sie verinnerlicht, könnte man vermuten, dass bei Stephen King nicht die zehn Gebote über dem Schreibtisch hängen, sondern die zehn Genres von Jessica Brody.

Die im Anschluss als typisch für das jeweilige Genre genannten Bücher sind eher ein Hinweis, wie Mainstream-Romane oft (aber nicht zwangsläufig immer) funktionieren. Das muss jedenfalls nicht der Maßstab für ein eigenes Buchprojekt mit einer kreativen Geschichte sein.

Nicht in diese Schablone passende Romane hat Jessica Brody, aus ihrer Perspektive verständlich, außen vor gelassen. Man muss nicht bis zu Großmeistern der Literatur wie Haruki Murakami gehen, um den Beweis anzutreten, dass es auch anders geht. Selbst so schlichte Bestseller wie Der Circle passen da nicht hinein. Aber vielleicht ist das der Grund, warum dieses Buch von Dave Eggers – freundlich ausgedrückt – so enttäuscht (Subjektiv, nur meine Meinung, oder vielleicht doch ein bisschen mehr? Darüber schreibe ich demnächst an anderer Stelle).

Die im dritten Teil besprochenen Themen und Problembereiche sind erfreulich praxisnah. Unter anderem geht es hier um die Schreibblockade, von der Jessica Brody sagt, dass es eine solche nicht gibt bzw. diese richtiger „Blockade des Perfektionisten“ genannt werden sollte. Hintergedanke ist, im Zweifel eher erst mal einen Haufen Mist zu schreiben als gar nichts. Mist sei Dünger für Besseres, und damit eine gute Grundlage für anschließende Überarbeitungen und Korrekturen. Dieser dritte Teil hält überhaupt eine Reihe von Arbeitstechniken bereit, die nicht nur vor Beginn des Schreibens, sondern auch während des Schreibprozesses eine praktikable Hilfestellung sein können.

Zusammenfassend geht es in Save the Cat! – Writes a Novel nicht um Stil, nicht um die Charaktere, es geht nicht um die Geschichte selbst oder auch nur um das Thema. Es geht ausschließlich um die Struktur bzw. die Dramaturgie. Damit kann man durchaus eine Geschichte verbessern. Aber wenn der Rest nicht stimmt, hilft das alles nichts. Insofern ist dieser Schreibratgeber einerseits auf schmaler Spur. Andererseits hilft diese Beschränkung auch, weil die Konzentration auf einem einzigen Merkmal liegt, und die Verfasserin nicht meint, alles auf einmal erschlagen zu müssen. Was man auch lernt, ist zu verstehen, wie offensichtlich viele Mainstream-Leser ticken und mit welchen Mitteln sie bei der Stange gehalten werden. Und das ist schon mal was.

Wenn man weiß, wo die Beschränkungen liegen, ist es ein durchaus hilfreiches Buch. Vor allem wenn man sich nicht zu strikt an die Vorgaben hält. Für angehende Romanautoren bietet Save the Cat! – Writes a Novel einen praktischen und leicht verständlichen Ansatz, um spannende Geschichten zu verfassen. Autoren, die lieber organisch und ohne strenge Struktur schreiben, werden die Leitlinien von Jessica Brody sicher als zu präskriptiv oder einschränkend einordnen.

Save the Cat! Writes a Novel: The Last Book On Novel Writing You’ll Ever Need; von Jessica Brody; ISBN 978-0399579745

Photo by Danny Trujillo on Unsplash

Die meisten Autoren längerer Geschichten haben wahrscheinlich diverse Schreibratgeber im Regal stehen. Warum auch nicht? Es ist deutlich effizienter, sich spezielle Kenntnisse von professionellen Autoren anzueignen, als entsprechende Erfahrungen selbst machen zu müssen. Wie alles sind aber auch Schreibratgeber unterschiedlicher Qualität und sie beleuchten verschiedene Aspekte des selben Themas. In dieser Reihe möchte ich ein paar Worte über die Schreibliteratur verlieren, die ich gelesen habe und die möglicherweise auch für andere interessant sein könnte. Die Zielgruppen dieser Ratgeber unterscheiden sich teilweise aber erheblich.

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Korrektorat beim Buch schreiben

Meine zugegebenermaßen naive Idee des Testlesens bezog sich ausschließlich auf die Inhalte: Stoff, Personen, Dramaturgie und Sprachstil. Darauf sollten sich die Testleser konzentrieren, mit möglichst wenig Ablenkung. Als ich den Druck der Leseexemplare in Auftrag gab, war ich überzeugt, eine nahezu fehlerfreie Vorlage benutzt zu haben. Spott und Hohn, kann ich nur sagen. Das Feedback in Sachen Korrektorat, also Rechtschreibung, Interpunktion bis hin zum Satzbau war für mich eine wirkliche Überraschung. Meine braven Testleser hatten – trotz der Aufforderung, sich aufs Lesen zu konzentrieren – eine geballte Ladung von Korrekturen gemacht. Also nicht nur Stilblüten, Stolpersteine oder Verständnisfragen, sondern „echte“ Korrekturen. Zwei Testleserinnen hatten richtige Listen angelegt. Klar, mit Germanisten und Lehrerinnen in der Crew muss man damit rechnen. Dankbarkeit war angesagt.

Irritierend fand ich, dass sich die gefundenen Fehler bei den Testlesern wenig überschnitten, was ja heißt, dass ihnen individuell jeweils nur ein Teil aufgefallen war. Als ich beim Einpflegen dieser Korrekturen erneut weitere Fehler entdeckte, beschloss ich, eine zusätzliche komplette Durchsicht, also ein weiteres Korrektorat zu machen. Über Tage hinweg habe ich mir Kapitel für Kapitel das Buch laut vorgelesen. Und es fand sich immer noch genug. Nur wenige richtige kapitale Fehler, aber zum Beispiel jede Menge Interpunktionsfragen. Die ließen sich zwar so oder so beantworten, aber schon wegen der Durchgängigkeit war es besser, sich für eine Version zu entscheiden und dabei zu bleiben.

Für die, deren Stirn jetzt das Wort „Rechtschreibprüfung“ mit einem Fragezeichen zeigt, habe ich wenig Trost. Die Rechtschreibprüfung findet nur eindeutige Fehler – wie Wörter, die nicht existieren. Sobald zum Beispiel ein Verb, das es ja in verschiedenen Konjugationen und in verschiedenen Tempi gibt, in irgendeiner dieser Möglichkeiten dasteht, wird es von der automatischen Prüfung nicht markiert. Das Gleiche gilt für die Deklinationsformen von Substantiven. Genau diese Fehler übersieht man gerne während des flüssigen Lesens, was in einem Buch der Normalfall ist.

Nach Abschluss des Korrektorats gab es in meinem eigenen Testleserexemplar keine einzige Seite mehr, auf der nicht Verbesserungsbedarf markiert worden war. Ich vermute überschlägig, es sind auf den circa 250 Seiten über 1.000 Korrekturen. Ich frage mich immer wieder, was alles zu finden wäre, würde man gekaufte Bücher so akribisch durchgehen. Oder anders gesagt: Wo bewegt sich ein professionelles Korrektorat im Vergleich mit Crowd-Korrektoren in Gestalt von Testlesern nach circa fünf Korrekturdurchgängen?

Ein grundsätzliches Problem beim Korrigieren zeigt sich darin: Je öfter man den Text liest, desto mehr tritt der Inhalt in den Hintergrund und die Worte nach vorne. Das bringt eine Zunahme von Irritationen mit sich. Es fallen Wortverdopplungen auf, die über große Strecken gehen. Oder die fixe Idee setzt sich fest, das vergangenheitsverbundene Wort „war“ wäre zu oft im Text. Kann man aber nicht gut ersetzen. In jedem anderen Buch ist es im Übrigen genauso oft zu finden.

Es entsteht eine Tendenz zu übersteigerter Sensibilität. Vorsicht ist geboten, nicht vor lauter Korrekturen den Textfluss (und schlimmer: den Sinn) zu ruinieren. So lange die Option eines Verlags mit angeschlossenem Korrektorat im Raum steht, kann durchaus ein bisschen Arbeit übrig bleiben. Beim Selfpublishing ist das anders. Da ist eigenes Kümmern angesagt – mit klaren Grenzen.

Wie an früherer Stelle gesagt, bergen Korrekturen gewisse Risiken, wenn Textteile bzw. eine Druckversion des Manuskripts den Schreibtisch des Autors verlassen haben. Je mehr Versionen unterwegs sind, und das gilt auch für den eigenen Computer, um so weniger blickt man durch, wo welche Korrekturen bereits gemacht wurden.

Spätestens wenn die Testleser mit dabei sind, kommen die Korrekturen auf den unterschiedlichsten Wegen: im Fragebogen, per E-Mail im Text oder als Anlage mit verschiedensten Dateiformaten, handschriftlich, per Brief oder am Telefon. Am besten sammelt und strukturiert man das alles an einem einzigen Ort. Vor allem dann, wenn diese Korrekturen nicht auf einmal umgesetzt werden, sondern in mehreren zeitlichen Schritten. Korrekturen zu sammeln, empfiehlt sich im Übrigen auch, um die Überschneidungen bzw. Mehrfachnennung einer Korrekturstelle sichtbar werden zu lassen.

Erst im Nachhinein ist mir klar geworden, wie wichtig die Rolle der Testleser ist. Vor allem Selfpublishing-Autoren finden mit kompetenten Testlesern eine Unterstützung, die gegebenenfalls über ein bezahltes Auftragslektorat hinaus geht. Das ist eine provokante Meinung, aber ein einzelner Lektor kann nicht die unterschiedlichen Perspektiven und divergierenden Meinungen einer Vielzahl von Personen darstellen. Das macht es auch für den Autor manchmal schwierig, weil er bei Parität verschiedener Auffassungen eine eigene Entscheidung treffen muss, welcher er folgt. Vorteil wiederum ist, bei einer guten Mischung von Testlesern (Geschlecht, Alter, Beruf, Leseerfahrung etc.) ein Gespür zu bekommen, welche Zielgruppe das eigene Manuskript anspricht. Ganz zu schweigen, von der an Schwarmintelligenz heranreichenden Kompetenz in Sachen Korrektorat, also Rechtschreibung, Interpunktion und Stilfragen.

Fähige und interessierte Testleser sind ein extrem wichtiger Punkt bei der Entstehung eines Buchs. Rezensionen kommen zu spät, weil das Buch bereits veröffentlicht ist. Außerdem bezieht sich da Lob oder Tadel mehr auf allgemeine Aspekte der Geschichte bzw. auf den Stil des Autors. Lektoren von Verlagen oder Agenturen sind auch nicht hilfreich. Sie schmettern Manuskripte ohne Feedback ab. Wirkliche Kritik bekommt man von denen nur, wenn sich ein erstes Buch gut verkauft hat und klar ist, dass das zur Diskussion stehende im gleichen Verlag erscheinen wird. Eine konstruktive und zielgenaue Kritik erhält man vor allem von Freunden oder Wohlmeinenden. Deren Reaktion verschafft am ehesten einen vielseitigen Überblick, wie die Geschichte, Ausdrucksweise und Schreibstil des Autors ankommen.

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Lektorat beim Buch schreiben

Ein professionelles Lektorat kann man zumindest teilweise durch Testleser ersetzen – wenn man die richtigen hat. Das Feedback meiner Testleser im freien Textfeld des Antwortbogens erwies sich durch die Bank weg als ausgesprochen interessant. Den einen war der Anfang verglichen mit dem Rest zu statisch, andere fanden den Schluss zu schnell („da wolltest du wohl fertig werden“). Eine Testleserin diagnostizierte zeitweilige Müdigkeit bei manchen Szenen. Alle haben irgendwo recht.

Auch als Novize beim Schreiben merkt man, dass aller Anfang schwer ist, und es erst nach einiger Zeit und vielen Zeilen flüssig läuft. Es gibt Szenen, da geht alles wie von selbst, andere sind eher zäh. Die Routine des gleichmäßigen Schreibens kommt wahrscheinlich nicht vor dem dritten Buch. Im Moment – fürchte ich – sind das noch ferne Welten.

Ich vermute, zwei Dinge spielen eine Rolle: Die ursprüngliche Geschichte – ein Exposé für einen Fernsehfilm – war dreißig Jahre alt (daher das Jahr 1988). Da vermischen sich jüngere mit älteren Elementen. Es gibt eine Reihe von Szenen, die dokumentarischen Charakter haben. Die Szene im Club ist so eine. Nun waren wir während unserer USA Dreharbeiten nicht ständig in Table Dance Clubs, aber die Vorlage für diese Szene war ein entsprechendes Etablissement direkt neben unserem Motel in Indianapolis. Das hatte schon was sehr Eigenes, und diesen Abend habe ich heute noch gut vor Augen. Offensichtlich macht sich das in der Schreibe bemerkbar.

Eine Testleserin, selbst Autorin von Sachbüchern und erfahren im Lektorat, holte in einem Telefongespräch weit aus. Sie hielt sich erst gar nicht mit Rechtschreibfehlern oder diskussionswürdigen Stilfragen auf, sondern sprach gezielt dramaturgische Schwächen an, die ihr aufgefallen waren.

In der Essenz ging es um Fragen, wie sich der Protagonist im Lauf des Buchs bzw. der Handlung verändert. Hat er sich „entwickelt“ (muss er!), und wenn ja, wohin (offen). Sie hatte da einen wunden Punkt getroffen, der von keinem der anderen Testleser angesprochen worden war, der aber in der Schreibliteratur ein Klassiker ist.

Problem ist die Kollision mit meiner eigenen Lebenserfahrung. Demnach kommt Steve genau so nach Chicago zurück, wie er da 14 Tage früher weggefahren ist. Menschen im Alter von 30 Jahren ändern sich nicht mehr grundlegend und schon gar nicht innerhalb von zwei Wochen. Angeblich will das aber der Leser. Gibt man es ihm?

Ich schwankte lang, auch weil mir nicht gefiel, in einem Roman, der in erster Linie gute Unterhaltung bieten will, zu sehr ins Psychologische abzudriften. Was ich mir gut vorstellen konnte, war eine Phase der Reflexion zu einem Zeitpunkt, da die größten Herausforderungen hinter Steve lagen. So etwas, wie Revue passieren lassen, um Gedanken zu sortieren, Geschehnisse einordnen zu können und die eigene Beziehung zu Personen neu zu definieren. Eine solche Szene erschien mir plausibel, und daraufhin schrieb ich ein komplettes zusätzliches Kapitel, in dem Steve eine historische Plantage außerhalb von Charleston besucht, die Magnolia Plantation.

Von einem meiner Filmleute bekam ich folgenden Kommentar:

„Obwohl mir das Cover gefällt, macht mich der Titel nicht neugierig. Ich habe aber keine bessere Idee. Aber irgendwas mit dem Auto fände ich eigentlich gut, Chevy 64 oder so. Oder die Geographie spezifizieren, z.B. mit den Appalachen, à la „Abenteuer in den Appalachen“, „Entscheidung in Charleston“. Das sind nicht wirklich ernst gemeinte Vorschläge. Titel sind sauschwer und man muss die blödesten Ideen durchkauen, um einen guten zu finden. Keine Ahnung, ob du da noch flexibel bist. Als Filmemacher erlebt man das ja ständig – und zu meiner Überraschung kommen doch immer wieder bessere Titel heraus, als man selbst hatte.“

Zur Erinnerung: Die Leseexemplare trugen den Titel „Ruhe im Süden“ mit dem Untertitel „Ein amerikanisches Abenteuer“. In den Monaten des Schreibens hatte ich mich so daran gewöhnt, dass ich ihn überhaupt nicht mehr in Frage gestellt habe. Auch die Mehrzahl der Testleser hatten ihren Gefallen daran kundgetan, und damit war ich endgültig eingelullt.

Dann kam jemand und fragte: warum „Ruhe im Süden“? In der Geschichte geht es im Süden, also in Charleston, doch gar nicht so ruhig zu … Da kapierte ich, dass ich es mit dieser Analogie zu weit getrieben hatte. Ein neuer Titel musste her!

Es war ein längerer Prozess, während dessen ungezählte Vorschläge geboren, durchgekaut und wieder verworfen wurden. Mir gefiel die Idee, den Chevy als dinglichen Protagonisten mit einzubeziehen und den Roadtrip-Charakter des Buchs zur Geltung zu bringen. Als die Entscheidung stand, war es dann Chicago-Chevy-Charleston. Das Auto ist dabei, die Ortsveränderung und der USA-Bezug. Der Titel hat einen hohen Aufmerksamkeits- und Wiedererkennungswert, und – last not least – machen sich die drei „CH“ auf dem Titelbild grafisch gut.

Allerdings war das nach wie vor ein Arbeitstitel. Die Entscheidung, ob ein Verlag oder ich selbst das Buch veröffentlichen würde, war noch nicht gefallen und mitnichten meine Entscheidung allein. Wenn ein Verlag einsteigen würde, wäre die Diskussion über den Buchtitel neu eröffnet.

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Letzter Beitrag: Testleser

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Testleser beim Buch schreiben:

Meine Testleser-Crew waren zehn Leute aus der Verwandtschaft und dem Freundeskreis. Das ist die harmlose Version. Die verschärfte klingt so: Sie bestand aus fünf Frauen, darunter (Achtung Mehrfachnennungen) Germanisten, Buchhändler, eine Autorin von politischen Sachbüchern mit Lektoratserfahrung, eine Lehrerin und eine Psychoanalytikerin. Weiterhin fünf Männer, davon zwei Filmleute, die sich mit Dramaturgie und schönen Bildern auskennen.

Ein so geballtes Potenzial an kritischer Kompetenz und Leselust machte mir beinahe Angst. Aber da musste ich durch.

Ich hatte mir ein mehrstufiges Verfahren ausgedacht. Während die Leseexemplare im Druck waren, schickte ich allen potenziellen Testlesern per E-Mail einen Flyer mit Titelbild und Umschlagtext zusammen mit den ersten beiden Kapiteln als Leseprobe. Damit sollte eine Situation ähnlich wie im Laden geschaffen werden. Die Testleser können sich eine Vorstellung vom Cover und vom Inhalt verschaffen, bevor sie sich entscheiden, das ganze Buch zu lesen.

Im Anschreiben bat ich explizit darum, dass diejenigen, die in der Buchhandlung das Buch auf Basis dieser Infos wieder weggestellt hätten, das auch hier tun. So wollte ich vermeiden, Testleser zu der Lektüre eines Buchs zu zwingen, das sie sich im sonstigen Leseleben niemals zugemutet hätten. Es macht keinen Sinn, jemanden einen Thriller lesen zu lassen, der dieses Genre hasst.

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten und waren durch die Bank positiv. Alle wollten das gedruckte Leseexemplar zum Weiterlesen – ein gutes Zeichen.

Im nächsten Schritt verschickte ich die zehn Leseexemplare. Eines behielt ich als Referenz für mich, damit ich die zu erwartenden Kritikpunkte mit Angabe von Seite und Absatz finden konnte.

Parallel hatten die unterschiedlichen Kommentare zur Leseprobe gezeigt, dass es die Sache vergleichbarer und einfacher macht, wenn ich Teile der kommenden Einschätzungen und Wertungen formalisiere. Ich entwickelte einen kurzen Fragebogen, mit dem ich das Feedback strukturieren und statistisch auswerten konnte. Die erste Idee, als „Formular“ ein online ausfüllbares PDF zu nutzen, habe ich schnell aufgegeben. Eine E-Mail, bei der man nur auf „antworten“ klicken muss, um im Zwischenraum der Fragen seine Antworten reinzuschreiben, war die bessere Alternative.

Von früheren Erfahrungen mit Umfragen wusste ich, dass Fragen eindeutig formuliert werden müssen und die Antwort keine intellektuellen Klimmzüge erfordern darf. Deshalb entschied ich mich für eine Kombination aus Bewertungsfragen mit Bitte um Vergabe von (Amazon-) Sternen, um Angabe der jeweils drei besten und schlechtesten Szenen in Form von Stichpunkten und einem zusätzlichen freien Textfeld. Da konnte jeder reinschreiben, was ihm sonst noch zum Buch einfiel.

Das Ganze hatte den Vorteil, dass ich so von allen ein umfassendes Bild über die mich interessierenden Fragen bekam. Für manche Leser ist es ja nebensächlich, wie das Buch von außen aussieht. Aber auch von denen will man eine Einschätzung, inwieweit die Umschlaggestaltung als gelungen empfunden wird.

Die Rückmeldungen erstreckten sich über einen Zeitraum von einem Monat nach Versand der Leseexemplare. Ein Testleser hatte das Buch am Abend nach Eintreffen komplett durchgelesen. So was nenne ich ermutigend!

Mit den Antworten auf die standardisierten Fragen war ich wirklich zufrieden. Die Punkt- Bewertungen lagen überraschend nah beieinander. Dabei zeigte der Daumen insgesamt nach oben. Spätere externe Bewertungen bestätigten das. Aber auch sonst erwies sich das Feedback als ausgesprochen interessant.

Schon nach den Rückläufen der Hälfte der zehn Testleser las ich unterschiedlichste Kommentare im freien Textfeld. Die einen gingen mehr auf den Stil, andere mehr auf die Rechtschreibung und Satzbau ein. Wieder andere machten Anmerkungen zu bestimmen Teilen des Inhalts. Dabei zeigten sich erstaunlich wenige Überschneidungen. Lediglich zwei Testleser hatten übereinstimmend Probleme mit dem Ende des ersten Kapitels. Beide empfanden die Verbindung zwischen Steve und seinem Großvater als nicht intensiv genug beschrieben. Das war auf direkte Nachfrage den Übrigen nicht aufgefallen. Trotzdem habe ich diese Stelle nochmals ausführlicher geschrieben, was der Sache sicher gutgetan hat.

Bemerkenswert fand ich folgende Aussage eines Testlesers. Er schrieb, wenn ich nicht ausdrücklich um eine differenzierte Begutachtung gebeten hätte, wäre seine Bewertung besser ausgefallen. Offensichtlich sind Familienmitglieder oder Freunde als Testleser sogar bereit, kritischer bzw. schlechter zu bewerten. Was sich deutlich zeigt: Sie setzen sich mit dem Text gründlicher auseinander als bei einem Buch ohne Bezug zum Autor.

Widerstände bekam ich seitens einer Testleserin zu spüren, die sich dagegen wehrte, „Punkte“ bzw. „Sterne“ zu vergeben, weil dies eine Bewertung unangemessen verkürze. Auf meine Bitte hin hat sie es doch gemacht, aber das Argument gab mir zu denken. Immerhin bot das freie Textfeld alle Möglichkeiten, die Vergabe der „Sterne“ zu erläutern und Kommentare jeder Richtung anzuhängen.

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Letzter Beitrag: Probedrucke – Leseexemplare

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Probedrucke – Leseexemplare

In meinen chronologischen Notizen steht am 8. November 2020:

„Gestern hat Biden wahrscheinlich die Wahl in den USA gewonnen, heute habe ich die vorläufig endgültige Textfassung auf das BoD Portal hochgeladen. Die Bastelei auf Papyrus, bis ich das einigermaßen brauchbar formatiert hatte, ist eine eigene Geschichte … So was kann man auch anders einrichten. Ich unterdrücke meine Gedanken an angebissene Äpfel.

Parallel habe ich das Cover-PDF für den Umschlag fertig gemacht, was voraussetzt, dass die endgültige Seitenzahl feststeht, weil davon die Breite des Buchrückens abhängt. So gesehen war das ein wichtiger und glücklicher Tag für mein Buchprojekt. Aber schon wenige Stunden später merkte ich, wie der Rand des Lochs näher kam, in das man nach so lange andauernden Herzensprojekten reinzufallen droht. Es gibt ohne Frage weiterhin viel zu tun, aber zunächst ist der kreative Part abgeschlossen, bis das Feedback der Testleser kommt, die erst versorgt werden müssen. Und das dauert. Die Lieferung der ersten zehn Leseexemplare wird bis zu elf Tagen brauchen.“

Die Bücher von BoD kamen in der Tat elf Tage später. Die Qualität erschien auf den ersten Blick ganz okay. Wenn man genauer hinschaute, sah man die Unterschiede. Das Papier war absolut weiß. Erst später realisierte ich, dass fast alle Taschenbücher auf chamois Papier gedruckt werden. War mein Fehler. Der Blocksatz schien zwar nicht so grauenvoll wie bei „Word“, aber auch nicht richtig gut, und die Textblöcke auf den Seiten waren nicht einheitlich groß – wobei beides keine Frage des Drucks ist. Heute weiß ich, wie viel Ahnung in Sachen Satz und Druck mir damals fehlte.

Beim Titelbild hatte ich mehr erwartet. Das erschien mir eine Spur matschig und für mein Gefühl schlechter als bei den meisten Verlagstaschenbüchern. Wahrscheinlich lag das am Farbraum. Jede Druckerei fragt üblicherweise nach CMYK, alle nicht-professionellen Bildbearbeitungsprogramme liefern nur RGB. Books on Demand redet nicht über dieses Thema. Vermutlich ahnen sie, wie viele Anfragen bei ihrer Hotline kämen, ohne das Problem lösen zu können. Auffällig war weiterhin, dass sich der gesamte Papierblock ein wenig wellte. Er lag nicht so elegant und plan wie bei anderen Büchern.

Am Abend ertappte ich mich, mein eigenes Buch zu lesen – mit großem Spaß. Als das an den Tagen danach immer wieder passierte, fragte ich mich, warum. Ich fühlte mich durch diese „vollständigere“ Form des Texts herausgefordert, nochmals aus einer neuen Perspektive darauf zu schauen.

Die Buchform erzeugt mehr Distanz als ein Manuskript oder der Blick in ein Textverarbeitungsprogramm. Es fällt einem als Autor leichter, den Text objektiv zu sehen, aber auch nur zu lesen, zu lachen und sich darüber zu freuen. Das Kind ist flügge geworden, und der distanzierte Blick macht es nochmals einfacher, Fehler zu finden.

Also: Eine gedruckte Vorab-Auflage dient nicht nur den Testlesern, sondern auch dem Autor!

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Letzter Beitrag: Überarbeiten des Manuskripts: Grundsätzliches

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Überarbeiten des Manuskripts: Grundsätzliches

Mitte Oktober 2020 war der vorläufig letzte Satz geschrieben. Wer denkt, er könne jetzt aufatmen und sich an die Korrekturen begeben, der irrt. Der Prozess des Korrigierens beginnt eigentlich mit dem ersten Satz, der auf dem (digitalen) Papier landet. Spätestens im Lauf der ersten Kapitel entwickelt sich beinahe automatisch eine Routine von Schritten, die alle mit Prüfen und Verbessern zu tun haben.

Ich schreibe gerne mit einem Fineliner auf richtigem Papier. Meistens habe ich Blatt und Stift zur Hand, damit ich in jeder Situation Ideen oder Formulierungen festhalten kann, bevor sie unwiederbringlich aus den Gedanken verschwinden. Daraus entsteht oft eine ganze handschriftliche Seite oder mehr. Außerdem gefällt mir die Möglichkeit, Wörter durchstreichen und durch Alternativen ersetzen zu können, ganze Abschnitte mit Pfeilen an andere Stellen zu verschieben und immer noch die alte Version im Blick zu haben.

Beim Übertrag auf den Rechner, meist am nächsten Tag, schauen die Dinge bzw. die Sätze möglicherweise wieder anders aus. Außerdem meldet sich die Rechtschreibprüfung – oft berechtigt. Vollständige Abschnitte und erst Recht komplette Kapitel lese ich mehrmals am Stück, um ein Empfinden dafür zu bekommen, ob sie schlüssig sind. Und wenn meine Frustrationstoleranz noch nicht am Anschlag klebt, werfe ich die Stilanalyse der Schreibsoftware an.

Korrekturen sind ein Teil des Schreibens, und in manchen Momenten überkommt einen das Gefühl, es hört nie auf.

Als nächster Schritt mussten die Leseexemplare für die Testleser gedruckt werden. Ich hatte mich für Taschenbücher entschieden, um ein möglichst echtes Buch- und Lesegefühl zu schaffen. Außerdem wollte ich selbst endlich „mein“ Buch in der Hand halten. Voraussetzung für den Druck ist ein entsprechend formatiertes PDF. Die Papyrus-Software bietet die Konvertierung standardmäßig in unterschiedlichen Formaten an, darunter das für den Druck bei BoD (Books on Demand). Diese Konvertierung setzt voraus, dass der Text mit einer passenden Formatvorlage erstellt wurde. Mein Manuskript besaß keine Formatvorlage, weil ich irgendwann einfach losgeschrieben hatte. Also musste ich den kompletten Text in einzelnen Abschnitten und Überschriften markieren und den Formatvorlagen zuweisen.
Bei der Gelegenheit habe ich weitere Korrekturen gemacht, sowohl was Füllwörter angeht als auch Satzbau und Ausdruck. Es hatte echt kein Ende: Im Text fand ich ständig neue Stellen, bei denen ich im Zweifel war, ob die so okay sind. Einige waren tatsächlich verbesserungswürdig, andere entpuppten sich als Falle. Auch Textverständnis hat eine Tagesform.

Dieses Korrigieren ohne Ende ist aus mehreren Gründen gefährlich. Wenn man Arbeitsschritte vermischt, geht schnell der Blick und die Konzentration auf das Wesentliche verloren. Die Rückmeldungen der Testleser sorgen ohnehin für eine weitere Korrekturorgie. Das eigentliche Problem ist aber ein verfahrenstechnisches. Unabhängig von den automatisch erzeugten Sicherungskopien arbeitet man nach meiner Erfahrung in dieser Phase bereits mit mehreren Versionen des ursprünglichen Manuskripts. Sei es, weil man eine Normseitenversion gemacht hat, sei es, weil unterschiedliche Schrifttypen ausprobiert wurden, sei es, weil man einzelne Kapitel als PDF ausgegeben hat. Mit den PDFs wollte ich den potenziellen Testlesern einen ersten Eindruck für die Entscheidung geben, ob sie sich auf das ganze Buch einlassen. Verschiedene Versionen bieten auch die Möglichkeit, in verschiedenen Versionen Korrekturen zu machen. Die Verwirrung ist vorbestimmt!

Wichtig ist, gleich am Anfang die eine Version zu definieren, in der Änderungen und Korrekturen gemacht werden dürfen. Wenn man, wie ich, Leseexemplare drucken lässt, um auf Basis des Feedbacks weitere Korrekturen zu machen, empfiehlt es sich, ab dem Moment, da erste Ausschnitte – auch als PDF – unterwegs sind, keine Änderungen mehr zu machen. Sonst bleibt der Gleichstand mit den Testlesern nicht gewahrt. Weitere Korrekturen sollten, wenn überhaupt, in einer Kopie gemacht werden, die eindeutig benannt und gekennzeichnet wird.

Was sich anbietet: Jede Datei, die mit dem Text zu tun hat, mit dem Datum im Dateinamen zu benennen und innerhalb der Dateiinformationen bei den „Kommentaren“ angeben, wer die Mutter oder der Vater dieser Datei ist, ob in ihr Korrekturen vorgenommen wurden und wenn, welche.

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