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Go Your Own Way – Teil 1

Von vornherein gab es einen Zwiespalt in mir. Wenn man sich sein ganzes Berufsleben mit wirtschaftlichen Dingen beschäftigt hat, wird das Prinzip der Arbeitsteilung zur inneren Überzeugung. Lass Spezialisten ran, wo du selbst keine Ahnung hast. Die Inspektion am Auto machen auch die wenigsten ohne Werkstatt.

Andererseits sehe ich es als eine persönliche Herausforderung, Projekte alleine zu Ende zu bringen und die Systematiken durchblicken zu wollen, die hinter den Dingen stehen. Gäbe es nicht die Möglichkeiten des Selfpublishing, hätte ich mein Buchprojekt wahrscheinlich nicht gestartet. Heißt, ich habe von Anfang an damit gerechnet, das Ding gegebenenfalls selbst durchzuziehen.

Nun vergibt man sich ja nichts bei dem Versuch, einen Verlag bzw. einen Literaturagenten für das eigene Manuskript zu interessieren. Auf dem langen Weg zu einem Vertrag ist ein Aussteigen jederzeit möglich, und wie hier früher beschrieben, bietet eine Verlagsveröffentlichung so viele Vorteile, dass es fahrlässig wäre, nicht wenigstens den Versuch zu machen.

Diese Überlegungen begleiten einen von Anfang an. Sie werden umso deutlicher, je mehr es dem Ende des Schreibens zugeht. Irgendwann schaut man der potenziell frustrierenden Angelegenheit ins Auge und beginnt mit den konkreten Vorbereitungen.

Für den Kontakt mit Agenturen oder Verlagen braucht es nicht viele Unterlagen. Diese sollten aber so gelungen wie möglich sein, um aus der Menge der Einsendungen herauszustechen, die täglich beim Empfänger eintreffen. Ein Vorteil ergibt sich daraus, dass das Exposé für die unterschiedlichsten Zwecke sowieso benötigt wird.

Drei Dokumente sind erforderlich:

  • Anschreiben
  • Exposé
  • Leseprobe

Beim Anschreiben ist das Schwierigste die Frage, wer überhaupt angeschrieben werden soll. Es gibt jede Menge Verzeichnisse von Literaturagenturen, und die Anzahl der dort genannten Adressen liegt in der Größenordnung von über hundert. Das Handbuch für Autorinnen und Autoren (Uschtrin Verlag) ist da hilfreich. Zu jeder Agentur nennt es relevante Details wie die vertretenen Genres, die Ansprechpartner, die Verlage, mit denen zusammengearbeitet wird, und einiges mehr.

Auf dieser Grundlage schaute ich mir anschließend die Webseiten der ausgewählten Agenturen an. Dort bekommt man schnell ein Gefühl und die Fakten, ob eine Agentur zum Manuskript und einem selbst passen könnte. Hier finden sich die Einzelheiten für eine Einreichung: per Mail oder auf dem Postweg, Länge der Textprobe, Wartefrist und die Frage nach Paralleleinsendungen bei anderen Agenturen. Alle, die mir interessant erschienen, habe ich mit diesen Details in eine Excel-Liste gepackt. Wie immer gibt es ein paar Exoten, die keine PDFs nehmen, sondern die Unterlagen als Word-Datei wollen. Eine hatte einen Fragebogen auf der Webseite, der die Grenzen des Datenschutzes sprengte. Solche Agenturen habe ich für mich als unbrauchbar klassifiziert. Unter dem Strich standen schließlich neun Literaturagenturen, die in Frage kamen.

Das Anschreiben kann kurz gehalten werden. Wichtig ist eine namentliche Ansprache. Wenn in den „Kontakten“ der Webseite kein Ansprechpartner genannt wird, ist es in jedem Fall besser, den gesetzlichen Vertreter aus dem „Impressum“ zu nehmen als das wenig verbindliche „Damen und Herren“. Ein Hinweis, warum diese Agentur als die Passende erscheint, macht Sinn. Chicago-Chevy-Charleston hat seinen Ursprung in einem Filmexposé, und das Buch hat nach wie vor eine starke Bildsprache. Für eine Agentur, die die Option einer Filmauswertung explizit auf ihrer Webseite nennt, ist das beispielsweise ein wichtiger Anhaltspunkt. Was Agenturen und Verlage ebenfalls mit Wohlwollen sehen, ist die Bereitschaft zu crossmedialen Aktivitäten für die Buchpromotion. Wer sein Autorendasein mit Social Media Aktivitäten oder einer eigenen Webseite begleitet, sollte das erwähnen. Wenn das Anschreiben einen persönlichen und individuellen Charakter hat und eine klare Aussage mit sich bringt, sind die eigenen Karten jedenfalls besser als mit einer offensichtlichen Massenaussendung.

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Verlag oder Selfpublishing?

Verlag oder Selfpublishing – das ist die große Weggabelung, die der buchschreibende Debütant erreicht, wenn er sein Manuskript als reif für die Veröffentlichung ansieht. Wie geht es jetzt weiter? Nach links oder nach rechts?

Tatsächlich werden sich die meisten Autoren viel früher, wenn nicht von Anfang an Gedanken gemacht haben, welchen Weg sie gehen wollen. Es gibt unendlich viele Informationen und Meinungen zu dem Thema Verlag oder Selfpublishing, und je mehr man liest, desto verwirrender wird es. Aber an dieser Entscheidung geht kein Weg vorbei. Allerdings handelt es sich nur bedingt um eine eigene Entscheidung. Wenn die Verlagsveröffentlichung eine Option ist, redet möglicherweise ein Verlag bei den weiteren Schritten mit. Letztlich lautet die Frage: Mache ich es gleich selbst, oder versuche ich erst, einen Verlag für mein Manuskript zu interessieren?

Einen Verlag von vorneherein auszuschließen, hat für mich aus heutiger Sicht etwas nahezu Masochistisches. Entweder man will sein Ding durchziehen, um zu sehen, wie weit man es ohne fremde Einflussnahme bringt, oder man hat einen hohen Grad an Selbstvertrauen, was die Kommunikation in Social Media bzw. eigenen Netzwerken angeht. Beides setzt im Übrigen Zeit und Geld für Marketingaktivitäten voraus.

Es gibt bestimmte Genres, die sich für Selfpublishing anbieten, nämlich Fantasy und Science-Fiction. In der belletristischen Literatur rangieren sie bei den meisten Verlagen auf hinteren Plätzen. Dafür haben beide Genres einen großen Stamm eingefleischter Fans, die in den sozialen Medien gut organisiert und sichtbar sind. Wenn ein Autor es schafft, das Herz dieser Gemeinde zu erobern, braucht er wohl wirklich keinen Verlag.

Bei einem „normalen“ Debütroman sieht das anders aus. Für den Buchhandel und seine Kunden, aber auch für Zeitungsrezensenten und Literaturblogger hat der Verlag eine positive Filterfunktion. Ein Verlag ist ein auf Gewinn ausgerichtetes Unternehmen. Also muss das Produkt gewisse kommerzielle Kriterien erfüllen: der äußeren Form nach sowieso (Cover, Klappentext, Rechtschreibung), aber auch inhaltlich, was Anforderung an Sprache, Stil und Dramaturgie angeht. Außerdem machen Verlage Marketing. Sie drucken Kataloge, schicken Vertreter in Buchhandlungen und versenden Rezensionsexemplare an die Medien. Damit ist ein Mindestmaß an Öffentlichkeit und Sichtbarkeit gewährleistet.

Mit Verlagstiteln gehen Käufer und Buchhandlungen also ein deutlich geringeres Risiko ein. Beim Buchhandel ist das Risiko weniger ein finanzielles als das des Handlings. Bei 70.000 Verlagsneuerscheinungen (im Jahr 2020) muss der Buchhandel auswählen, weil er nur für einen Bruchteil Präsentationsmöglichkeiten hat. Warum dann das Risiko mit einem selbstverlegten Titel eingehen, der praktisch keine Chancen hat, in überregionalen Zeitungen oder im Fernsehen rezensiert und damit öffentlich gezeigt zu werden? Vertriebstechnisch spricht nahezu alles für den Verlag.

Wo Licht, da Schatten: Die Nachteile müssen ebenfalls genannt werden. Verlage nehmen erheblichen Einfluss auf Form und Inhalt eines Buchs. Die Marketingabteilung hat im Zweifel neue Ideen, was den Titel angeht, die Umschlaggestaltung wird leserkompatibel und aufmerksamkeitswirksam optimiert. Wenn man sich damit abfindet, hat man immerhin weniger Arbeit. Die gewonnene Zeit kann man dann mit den Änderungswünschen des Lektorats verbringen, wobei Stil und Formulierungen noch Petitessen sind. Je nachdem ist dann auch schon mal eine andere Stimmung oder ein neuer Schluss angesagt. Aber immerhin: Ein Verlag machte das nicht, wenn er nicht der Meinung wäre, das Buch ist es wert.

In der Konsequenz heißt das: Kann man sich als Autor an den Gedanken gewöhnen, in der eigenen kreativen Arbeit einen Begleiter zu haben und Einfluss abzugeben? Wenn ja, sollte der Versuch, einen Verlag zu finden, nicht erst gemacht werden, wenn das Manuskript fertig vorliegt. Diese Entscheidung sollte spätestens im fortgeschrittenen Schreibprozess getroffen werden, damit gewünschte Korrekturen direkt eingearbeitet werden können und Änderungen an der Geschichte von vornherein diskutiert und vor dem Schreiben entschieden werden können.

Aber wie groß ist denn die Wahrscheinlichkeit, einen Verlag zu finden, der das Risiko mit einem Debütautor eingeht?

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