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Korrektorat beim Buch schreiben

Meine zugegebenermaßen naive Idee des Testlesens bezog sich ausschließlich auf die Inhalte: Stoff, Personen, Dramaturgie und Sprachstil. Darauf sollten sich die Testleser konzentrieren, mit möglichst wenig Ablenkung. Als ich den Druck der Leseexemplare in Auftrag gab, war ich überzeugt, eine nahezu fehlerfreie Vorlage benutzt zu haben. Spott und Hohn, kann ich nur sagen. Das Feedback in Sachen Korrektorat, also Rechtschreibung, Interpunktion bis hin zum Satzbau war für mich eine wirkliche Überraschung. Meine braven Testleser hatten – trotz der Aufforderung, sich aufs Lesen zu konzentrieren – eine geballte Ladung von Korrekturen gemacht. Also nicht nur Stilblüten, Stolpersteine oder Verständnisfragen, sondern „echte“ Korrekturen. Zwei Testleserinnen hatten richtige Listen angelegt. Klar, mit Germanisten und Lehrerinnen in der Crew muss man damit rechnen. Dankbarkeit war angesagt.

Irritierend fand ich, dass sich die gefundenen Fehler bei den Testlesern wenig überschnitten, was ja heißt, dass ihnen individuell jeweils nur ein Teil aufgefallen war. Als ich beim Einpflegen dieser Korrekturen erneut weitere Fehler entdeckte, beschloss ich, eine zusätzliche komplette Durchsicht, also ein weiteres Korrektorat zu machen. Über Tage hinweg habe ich mir Kapitel für Kapitel das Buch laut vorgelesen. Und es fand sich immer noch genug. Nur wenige richtige kapitale Fehler, aber zum Beispiel jede Menge Interpunktionsfragen. Die ließen sich zwar so oder so beantworten, aber schon wegen der Durchgängigkeit war es besser, sich für eine Version zu entscheiden und dabei zu bleiben.

Für die, deren Stirn jetzt das Wort „Rechtschreibprüfung“ mit einem Fragezeichen zeigt, habe ich wenig Trost. Die Rechtschreibprüfung findet nur eindeutige Fehler – wie Wörter, die nicht existieren. Sobald zum Beispiel ein Verb, das es ja in verschiedenen Konjugationen und in verschiedenen Tempi gibt, in irgendeiner dieser Möglichkeiten dasteht, wird es von der automatischen Prüfung nicht markiert. Das Gleiche gilt für die Deklinationsformen von Substantiven. Genau diese Fehler übersieht man gerne während des flüssigen Lesens, was in einem Buch der Normalfall ist.

Nach Abschluss des Korrektorats gab es in meinem eigenen Testleserexemplar keine einzige Seite mehr, auf der nicht Verbesserungsbedarf markiert worden war. Ich vermute überschlägig, es sind auf den circa 250 Seiten über 1.000 Korrekturen. Ich frage mich immer wieder, was alles zu finden wäre, würde man gekaufte Bücher so akribisch durchgehen. Oder anders gesagt: Wo bewegt sich ein professionelles Korrektorat im Vergleich mit Crowd-Korrektoren in Gestalt von Testlesern nach circa fünf Korrekturdurchgängen?

Ein grundsätzliches Problem beim Korrigieren zeigt sich darin: Je öfter man den Text liest, desto mehr tritt der Inhalt in den Hintergrund und die Worte nach vorne. Das bringt eine Zunahme von Irritationen mit sich. Es fallen Wortverdopplungen auf, die über große Strecken gehen. Oder die fixe Idee setzt sich fest, das vergangenheitsverbundene Wort „war“ wäre zu oft im Text. Kann man aber nicht gut ersetzen. In jedem anderen Buch ist es im Übrigen genauso oft zu finden.

Es entsteht eine Tendenz zu übersteigerter Sensibilität. Vorsicht ist geboten, nicht vor lauter Korrekturen den Textfluss (und schlimmer: den Sinn) zu ruinieren. So lange die Option eines Verlags mit angeschlossenem Korrektorat im Raum steht, kann durchaus ein bisschen Arbeit übrig bleiben. Beim Selfpublishing ist das anders. Da ist eigenes Kümmern angesagt – mit klaren Grenzen.

Wie an früherer Stelle gesagt, bergen Korrekturen gewisse Risiken, wenn Textteile bzw. eine Druckversion des Manuskripts den Schreibtisch des Autors verlassen haben. Je mehr Versionen unterwegs sind, und das gilt auch für den eigenen Computer, um so weniger blickt man durch, wo welche Korrekturen bereits gemacht wurden.

Spätestens wenn die Testleser mit dabei sind, kommen die Korrekturen auf den unterschiedlichsten Wegen: im Fragebogen, per E-Mail im Text oder als Anlage mit verschiedensten Dateiformaten, handschriftlich, per Brief oder am Telefon. Am besten sammelt und strukturiert man das alles an einem einzigen Ort. Vor allem dann, wenn diese Korrekturen nicht auf einmal umgesetzt werden, sondern in mehreren zeitlichen Schritten. Korrekturen zu sammeln, empfiehlt sich im Übrigen auch, um die Überschneidungen bzw. Mehrfachnennung einer Korrekturstelle sichtbar werden zu lassen.

Erst im Nachhinein ist mir klar geworden, wie wichtig die Rolle der Testleser ist. Vor allem Selfpublishing-Autoren finden mit kompetenten Testlesern eine Unterstützung, die gegebenenfalls über ein bezahltes Auftragslektorat hinaus geht. Das ist eine provokante Meinung, aber ein einzelner Lektor kann nicht die unterschiedlichen Perspektiven und divergierenden Meinungen einer Vielzahl von Personen darstellen. Das macht es auch für den Autor manchmal schwierig, weil er bei Parität verschiedener Auffassungen eine eigene Entscheidung treffen muss, welcher er folgt. Vorteil wiederum ist, bei einer guten Mischung von Testlesern (Geschlecht, Alter, Beruf, Leseerfahrung etc.) ein Gespür zu bekommen, welche Zielgruppe das eigene Manuskript anspricht. Ganz zu schweigen, von der an Schwarmintelligenz heranreichenden Kompetenz in Sachen Korrektorat, also Rechtschreibung, Interpunktion und Stilfragen.

Fähige und interessierte Testleser sind ein extrem wichtiger Punkt bei der Entstehung eines Buchs. Rezensionen kommen zu spät, weil das Buch bereits veröffentlicht ist. Außerdem bezieht sich da Lob oder Tadel mehr auf allgemeine Aspekte der Geschichte bzw. auf den Stil des Autors. Lektoren von Verlagen oder Agenturen sind auch nicht hilfreich. Sie schmettern Manuskripte ohne Feedback ab. Wirkliche Kritik bekommt man von denen nur, wenn sich ein erstes Buch gut verkauft hat und klar ist, dass das zur Diskussion stehende im gleichen Verlag erscheinen wird. Eine konstruktive und zielgenaue Kritik erhält man vor allem von Freunden oder Wohlmeinenden. Deren Reaktion verschafft am ehesten einen vielseitigen Überblick, wie die Geschichte, Ausdrucksweise und Schreibstil des Autors ankommen.

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Buch schreiben: Stil und Textanalyse

In diesem Beitrag geht es nicht um die individuellen Stilmerkmale eines Autors, sondern um Hinweise für „gute“ Schriftsprache, die in den meisten Schreibratgebern als relevant genannt werden. Auch die Autorensoftware Papyrus Autor, mit der ich meinen ersten Roman geschrieben habe, verfügt über eine eigene Stilanalyse. Die erstreckt sich auf mehr als zehn verschiedene Kategorien. Es gibt aber noch weitere stilistische Stolpersteine, die mir auffielen, nachdem ich mich bei bestimmten Stellen im Manuskript immer wieder fragte, warum das so unrund klingt.

Fangen wir mit der softwarebasierten Stilanalyse an. Ich war weit im zweiten Kapitel fortgeschritten, als ich die Stilanalyse zum ersten Mal aktivierte. Die Anleitung im Handbuch hatte ich mir erspart, und entsprechend groß war der Schock. Die Seiten meines Manuskripts färbten sich gefühlt in sämtlichen Farben des Regenbogens ein und zeichneten im Detail alle grafischen Bestandteile eines elektrischen Schaltplans: Linien, Kreise und Rechtecke und die jeweils dick bzw. dünn, durchgehend oder gestrichelt, manchmal auch gepunktet und im schlimmsten Fall das Wort gleich ganz durchgestrichen.

Nach dem ersten Schreck wagte ich einen Blick ins Handbuch und las von „vagen Begriffen“, „Verbfaulheit“, „Phrasen“, „Wortwiederholungen“, „verklebten Sätzen“ und manchem mehr. Ich sah aber auch, dass unterschiedliche Stufen von „Strenge“ einstellbar sind und die verschiedenen Kategorien nicht alle die gleiche Relevanz besitzen.

Um ein Gefühl zu bekommen, wo die Standards einzuordnen sind, prüfte ich probeweise damit je ca. 1.000 Wörter aus einem Buch von Haruki Murakami und aus einem von John Grisham. Da kam echte Freude auf, weil es fast genau so aussah wie in meinem Text. Entweder kochen diese Starautoren auch nur mit Wasser, den Übersetzern bzw. Lektoren war es egal oder die Kirche bleibt einfach im Dorf. Ich tendiere zu Letzterem. Alles in allem hat mich dieser Versuch außerordentlich beruhigt und das, was kommen würde, in Verhältnisse gesetzt.

Das bedeutet mitnichten, dass eine Stilanalyse, egal ob softwarebasiert oder dem eigenen Gehirn zugemutet, unwichtig ist. Die Angelegenheit wird dadurch schwieriger, dass ständig Abwägungen zwischen einem formalen Stildiktat und der Authentizität des Autors getroffen werden müssen. Bevor man widerstandslos alles ändert und wegstreicht, was die Stilanalyse einem als überflüssig und schlecht um die Ohren haut, sollte man die ursprüngliche Fassung in einem Backup hinterlegen. Oft zeigt sich, dass zu viel vom eigenen Schreibstil verloren geht und die Sätze zwar kurz und klar, aber leblos werden. Extrem kritisch ist das innerhalb der Dialoge, weil so, wie das Programm es gerne hätte, kein normaler Mensch redet.

Nun kann man eine maschinelle Stilanalyse stärker oder schwächer einstellen bzw. ganz ausschalten – für die direkte Rede auch getrennt. Die für mich ergiebigste Variante ist, die Analyse auf den höchsten Level einzustellen, um dann gezielt die Wörter oder Satzteile zu korrigieren, wo es sinnvoll erscheint. Die wertvollsten Kategorien innerhalb der Stilanalyse sind dabei die Wortwiederholung und die Füllwörter.

Wortwiederholungen sind unschön, irritieren den Leser und zeugen von gedankenlosem Schreiben. Nun gibt es Begriffe, die sind so eindeutig, dass sie auch in längeren Texten schwer variiert werden können. Spontan fällt mir als Beispiel der „Lötkolben“ ein. Da gibt es im Deutschen kein vernünftiges Synonym. Für 99% der Substantive und Verben in einem Roman existiert wiederum eine Reihe von Alternativen, und statt Wiederholungen sollte man die benutzen. Schwierig wird es, wenn die Häufung nicht im selben oder nächsten Satz passiert, sondern eine ganze Ecke weiter. In der Papyrus-Software kann man die Anzahl der zu prüfenden Zeilen davor und danach einstellen, und das ist eine großartige Sache. Mit Rechtsklick auf das wiederholte Wort werden auch dessen Synonyme angegeben. Kleiner Tipp: Manchmal macht es Sinn, zusätzlich den Thesaurus im Duden zu Rate zu ziehen.

Es gibt Bestandteile eines Texts, die weggelassen werden können, ohne dass der Sinn verloren geht: die sogenannten Füllwörter. Die sind ein heißes Eisen, weil hier das oben beschriebene Phänomen auftritt, dass das Ausmerzen aller Füllwörter zu blutleeren Sätzen führt, zumal das „alle“ hier reichlich vage ist. Wie unterschiedlich diese Problematik gehandhabt wird, zeigt die große Menge an Füllwörter-Sammlungen, die sich auf Webseiten finden lassen. Keine gleicht der anderen. Viele angebliche Füllwörter tauchen nur in einer Zusammenstellung auf.

Was tun? Nachdem sich meine erste Verwirrung gelegt hatte, bin ich strategisch vorgegangen. Aus ungefähr zehn Sammlungen im Netz habe ich alle Begriffe in eine Excel-Liste gepackt und diese alphabetisch sortiert. Alle Füllwörter, die häufiger als fünf Mal untereinanderstanden, übernahm ich in meine eigene Liste. Diejenigen, die nur ein- oder zweimal auftauchten, wurden gestrichen, beim Rest habe ich individuell entschieden.

Die Füllwörter auf meiner Liste habe ich dennoch nicht über die Suchfunktion im Text gelöscht, sondern mir jeweils im Kontext angeschaut. Wir reden im Übrigen vom Text und nicht von den Dialogen, wo Füllwörter durchaus eine Berechtigung haben, nämlich dann, wenn sie zur Sprache des Protagonisten passen.

Von 62.230 Wörtern auf 250 Seiten im Taschenbuch habe ich 409 Füllwörter gestrichen. Diejenigen, die ich durch andere Begriffe oder Formulierungen ersetzt habe, sind nicht mitgerechnet. Das Buch wurde dadurch eineinhalb Seiten kürzer.

Beim Schreiben des Buchs lernte ich auch die „schwachen“ Begriffe kennen. Das sind Wörter, die etwas korrekt bezeichnen, oft aber generalisierenden Charakter haben. So wie „Fahrzeug“ für Sportwagen, Elektroauto oder LKW steht, kann man statt „bewegen“ auch tanzen, schleichen oder kriechen sagen. Darauf hinzuweisen, hat beinahe etwas Banales, weil jeder Autor von sich aus den Anspruch hat (oder haben sollte), eine präzise und anschauliche Sprache in seinen Texten zu gebrauchen.

Trotzdem ist nicht zu unterschätzen, in welchem Maß man dazu neigt, die einfacheren Wörter zu benutzen. Ein gutes Beispiel sind Distanzwörter wie „sehen“ und „hören“. Ich war überrascht, wie oft diese Wörter in meinem Manuskript auftauchten und wie der Text gewann, als ich sie durch präzisere und der Handlung nähere Verben austauschte.

Die Krönung der schwachen Begriffe ist für mich das Wort „sehr“. Zu Schulzeiten war die Note „sehr gut“ zwar erstrebenswert, aber damit hat es sich auch. „Sehr“ ist beinahe ein Unwort, weil es eine Verstärkung ausdrückt, die aber nicht spezifiziert wird und so völlig beliebig bleibt. Es gibt weit über hundert Synonyme für „sehr“, die alle besser, weil eindrücklicher sind. Im täglichen Sprachgebrauch ist dieses überaus gängige Wort kaum zu vermeiden. Auch in den eigenen Texten findet es sich oft genug. Irgendwann während des Schreibprozesses habe ich mich hingesetzt und alle „sehr“ radikal ausgemerzt. Das führte bei mir zu einer Sensibilisierung, die die Nutzung erheblich reduzierte. Trotzdem macht es Sinn, am Ende erneut die Wortsuche der Textverarbeitung darauf anzusetzen. Die leistet für das Aufspüren von sprachlichen Schwächen sowieso unersetzliche Dienste.

Zum Thema „Show, don’t tell“. Zweifellos gewinnt eine Szene im Roman deutlich, wenn sie nicht aus der Perspektive des Erzählers beschrieben, sondern in Handlung und Dialog überführt wird. Nach meiner Erfahrung sollte man dabei aber die Wichtigkeit der Aussage im Hinterkopf haben. Je entscheidender ein Vorgang, ein Zustand oder eine Eigenschaft ist, desto mehr gewinnen diese durch „Zeigen“, statt durch schlichtes Erzählen. Wenn es aber um eine Feststellung geht, die bspw. nur der zeitlichen oder örtlichen Einordnung der Szene dient, kann das auch dazu führen, sich in Nebensächlichkeiten zu verlieren.

Nehmen wir an, um fünf Uhr nachmittags passiert etwas Unbedeutendes. Dann schreibt man „Es war fünf Uhr nachmittags“ und nicht „jemand fragte nach der Uhrzeit. Steve streifte den Ärmel hoch und zeigte seine Uhr. Der kleine Zeiger deutete auf die Fünf“. Wenn aber die Spannung steigt, weil um Viertel nach fünf eine Bombe hochgeht, dann wäre die Show-Version die richtige.

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