Amazon Advertising – Erfahrungen eines Autors
Beim zweiten Buch ist man in vielerlei Hinsicht klüger als beim ersten, gerade was das Außenrum angeht. Das schützt aber nicht vor neuen Erfahrungen, vor allem wenn man sich bewusst auf sie einlässt.
Meine Bemühungen, einen Verlag für Daisy Montana zu interessieren, waren ebenso vergeblich wie beim ersten Buch. Ich hatte nichts anderes erwartet. Mein Plan ging jetzt dahin, den Vertrieb auf ein preislich attraktives eBook und auf Amazon Select inklusive Kindle Unlimited zu konzentrieren. Außerdem lief noch die Bewerbungsfrist für den Kindle Storyteller Award 2024. Für eine schnelle Sichtbarkeit und ein gutes, zumindest vierstelliges Bestseller-Ranking im Kindle-Shop war ich bereit, Geld in die Hand zu nehmen und in zwei, drei ordentlich ausgestattete Amazon Advertising Kampagnen zu investieren.
Ich saugte alle Informationen über Amazon Ads in mich rein, die ich fand. Je mehr ich las, je mehr ich schaute, um so verwirrender fand ich das alles. Dabei wurde mir aber eines sehr klar: 99% aller Informationen beziehen sich auf Kampagnen für Sachbücher, weil die sich erheblich griffiger darstellen lassen. Wenn ich ein Kochbuch über italienische Küche an den Mann oder die Frau bringen will, gibt es Beschreibungen, Keywords und Kategorien, die dafür eindeutig sind. Aber wer ist die Zielgruppe für einen Roman über künstliche Intelligenz, und mit welchen Begriffen fängt man sie? Gibt man bei Amazon „künstliche Intelligenz“ ein, kommen fast ausnahmslos Sachbücher zurück.
Nach einiger Zeit war ich dennoch so weit, mit drei unterschiedlichen Kampagnen zu starten. Die von Amazon empfohlene Kampagne mit automatischem Targeting hatte ich gestrichen, weil nicht ein einziges der vorgeschlagenen Keywords irgendetwas mit dem Buch zu tun hatte. Dafür hatte ich zwei mit manuellem Keyword Targeting aufgesetzt und eine mit Produkt Targeting, also Buchkategorien und ähnlichen Romanen oder Autoren. Jede war mit einem Tagesbudget von 50 EUR ausgestattet. Nicht dass ich dauerhaft so viel Geld ausgeben wollte. Ich hoffte, auf diese Weise schnell einen Überblick zu bekommen, welche Keywords, Kategorien und Vergleichsbücher für mich funktionierten und welche ich deaktivieren kann. Ich klickte auf GO und …
… es passierte nichts. Es passierte auch nach 48 Stunden noch nichts, von denen ich irgendwo gelesen hatte, dass es dauern könnte, bis Amazon die Kampagnen geprüft und freigeschaltet hat.
Jetzt lernte ich den Amazon Ads Support kennen – eine wichtige Institution und eine echte Erfahrung. Innerhalb von mehreren Wochen wurden sieben „Fälle“ eröffnet, innerhalb derer meist mehrere Nachrichten hin und her gingen. Eine wichtige Erkenntnis war, dass die Bitte um telefonischen Rückruf bei der Amazon-Zentrale im München landet, von wo aus sich fast immer Mitarbeiter meldeten, die tatsächlich das Problem lösen wollten.
Schriftlich geäußerte Anfragen endeten normalerweise in der Region Indien oder Pakistan und wurden entweder mit völlig aus dem Zusammenhang gerissenen Textbausteinen beantwortet oder mit Hilfe eines Übersetzungstools, das – wie ich später erfuhr – alles, sogar englische Sätze, in die regionale Sprache transferierte und die Antwort zurück ins Deutsche. Alle diese Verbindungen brachten weder mich noch Amazon auch nur einen Millimeter voran.
Der Münchener Support wies mich als erstes darauf hin, dass ich zwei manuelle Keyword-Kampagnen für die gleiche ASIN, also das selbe eBook geschaltet hatte, was zum Totalausfall der Kampagnen führen könnte. Die Idee, einmal auf den „genauen“ Begriff auszurichten (mit der „Wortgruppe“ als negative Ausrichtung) und einmal genau andersherum, hatte ich aus einem YouTube-Totorial. Leider hatte dieser Schwätzer sein uraltes Tutorial mit dem Hinweis „Amazon Ads Update 2024“ verwurstet und genau dieser „Tipp“ erwies sich als mittlerweile komplett kontraproduktiv.
Aber auch, nachdem dieser Fehler behoben war, kamen die beiden übrig gebliebenen Kampagnen nicht in Gang. Der Support redete von mangelnder Relevanz der Keywords, von nicht in Echtzeit angezeigten Daten, von Validierungsprozessen, die bis zu 72 Stunden dauern könnten (die bereits um das Dreifache überschritten waren), und dann von einem internen technischen Problem, das die Auslieferung von Impressionen verhindert hatte. Das sei nun behoben. Nur nicht bei mir, wie ich feststellen musste.
Jetzt griff ich zur Axt. Im übertragenen Sinn. Ich löschte das eBook komplett aus dem KDP Bestand und veröffentlichte es kurz darauf mit einer neuen ASIN. Und siehe da, nach einer Stunde lieferten die Kampagnen die ersten Impressionen aus. Möglicherweise hatte Amazon tatsächlich irgendwelche technischen Probleme, aber wenn, nur mit mit meiner ursprünglichen ASIN. Und die waren mit diesem Radikalschnitt behoben worden.
In der darauf folgenden Zeit fütterte ich Amazon Ads mit einer Menge Geld, immer so zwischen 200 und 300 EUR pro Woche. Dadurch gingen auch die Verkäufe deutlich nach oben, sie standen aber nicht im entferntesten im Verhältnis zu den Ausgaben. Die von Amazon so genannten “Advertising Cost of Sales” (ACOS), also die Werbeinvestitionen im Verhältnis zu den erzielten Tantiemen, lagen nicht, wie zumindest langfristig sinnvoll, unter 100%, sondern durch die Bank weg bei 400-500% mit tageweisen Ausreißern nach oben oder unten. Schließlich wurde mir das zu teuer und ich kürzte das Tagesbudget deutlich.
Allerdings war zwischenzeitlich Daisy Montana in der Bestsellerliste Kategorie „High-Tech Science Fiction“ bis auf Platz 15 gestiegen und blieb mehrere Wochen unter den Top 50, was dem Buch auch organisch einen spürbaren Auftrieb gab und nicht nur Sternebewertungen, sondern auch eine Reihe von erfreulichen Rezensionen brachte.
Ich probierte vieles von dem aus, was Amazon Advertising selbst und auch diverse andere kluge Menschen im Netz so empfehlen: Keywords aussortieren, Gebote erhöhen, Tagesbudget anpassen. Insgesamt zeigte sich, dass Targets auf Kategorien erfolgreicher waren als auf Keywords. Und innerhalb der Keywords brachten die, die eigentlich eine Kategorie wie bspw. „wissenschaftsthriller“ bezeichneten, größeren Erfolg als echte Keywords wie bspw. „ethik in ki“ oder „roboter und künstliche intelligenz“. Eigentlich wundert das nicht, denn wer in der Welt sucht auf Amazon nach Romanen über „ethik in ki“?
Im Moment habe ich mein Tagesbudget auf 15 EUR gesenkt, die nicht ausgenutzt werden, weil auch meine einzelnen Gebote am unteren Rand der Empfehlungen liegen, womit sie selten zum Zug kommen. Ich experimentiere da noch ein bisschen.
Und jetzt der Clou: Für diesen Blog-Post habe ich die Zahlen der vergangenen Woche analysiert und es zeigt sich, was ich bereits beim gelegentlichen Reinschauen in das kdp Dashboard gespürt habe: Die organischen Verkäufe liegen deutlich über dem Ergebnis der Ads. In den letzten sieben Tagen hatte ich 18 Verkäufe von Daisy Montana eBooks und nur zwei davon kamen über Amazon Advertising. Noch besser: Die Zahl der „gelesenen Seiten“ bei Kindle unlimited betrug 7.144, was weiteren 15,6 Büchern entspricht, und nur eine einzige Seite davon wurde von Amazon Ads gemeldet.
Zum aktuellen Zeitpunkt lässt sich meine Erfahrung wie folgt zusammenfassen: Mir ist unverständlich, wie Romanautoren über Amazon Advertising Bücher verkaufen können, ohne gleichzeitig ein Vielfaches des Erlöses in Ads zu investieren. Vielleicht ist das bei Sachbüchern anders.
Die Verkäufe, die Amazon Ads zweifelsfrei auslöst, sorgen immerhin für eine deutlich erhöhte Sichtbarkeit des Buchs. Das kann in der Tat dazu führen, dass spätestens nach mehrfachem Sehen von Impressionen das Interesse potenzieller Käufer erwacht – insbesondere wenn das Buch in wichtigen Kategorien innerhalb der ersten 50 Ränge steht. Das kann dann möglicherweise zu einem Selbstläufer werden, vor allem wenn sich mittlerweile genügend gute Bewertungen angesammelt haben. Diese kommen bei Kindle eBooks fast zwangsläufig, weil die Leser auf der letzten Seite aktiv aufgefordert werden, eine Bewertung in Form von 1 – 5 Sternen abzugeben.
Insgesamt bedauere ich es nicht, Amazon Ads ausprobiert zu haben. Vielleicht ist damit langfristig sogar eine signifikante Steigerung von Sichtbarkeit und Akzeptanz für Bücher möglich. Für mich ist das aber definitiv nicht messbar, weil ich nicht weiß, wie es ohne gelaufen wäre.
Und ach ja, den Kindle Storyteller Award habe ich auch nicht gewonnen. Dafür ist Daisy Montana offensichtlich doch nicht mainstream genug. Was dem Buch auch irgendwo zur Ehre gereicht …
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