Rothaarige Katze vor einer roten Wand

Schreibratgeber: Save the Cat! – Writes a Novel

Save the Cat! – Writes a Novel von Jessica Brody ist der erste Beitrag in dieser Reihe von Schreibratgebern. Das Buch erschien im Jahr 2018 auf Englisch und bis heute gibt es keine deutsche Übersetzung. Es ist ein Follow-up des Klassikers Save the Cat Goes to the Movies von Blake Snyder, der darin Hilfestellung beim Drehbuchschreiben gibt.

Das Buch gliedert sich in drei Teile: Der erste ist eine Anleitung, wie sich eine gelungene Geschichte in drei Akte und 15 sogenannte „Beats“ (Wendepunkte bzw. Entwicklungsphasen) unterteilt lässt. Diese werden im Rahmen des „Beat Sheets“ so optimiert, dass daraus ein nach dramaturgischen Konzepten generierter Plot wird. Ein solcher Plot besitzt großes Spannungspotenzial und hält damit den Leser bei der Stange.

Im zweiten Teil definiert Jessica Brody „Ten Genres“. Diese zehn Genres werden im Detail behandelt und anhand von dafür typischen Romanen verdeutlicht. Diese Romane stammen alle verständlicherweise von amerikanischen oder englischen Autoren, sind aber in deutschsprachigen Landen durchaus bekannt. Dabei sind bspw. Stephen King, J. K. Rowling, Ernest Cline und Paula Hawkins.

Der dritte Teil befasst sich mit häufigen Problemen, auf die Autoren während des Schreibprozesses stoßen können.

Durchgängiger Grundgedanke dieses Schreibratgebers Save the Cat! – Writes a Novel ist die absolute Notwendigkeit für den Helden, sich zu ändern. Die Hauptfigur startet am Anfang mit einem inneren Problem. Im Verlauf der Geschichte muss diese Person lernen. Sie muss sich entwickeln und am Ende der Geschichte ein anderer Mensch sein. Diese Idee zieht sich mit einer gewissen Penetranz durch das Buch.

Jessica Brody sagt: „Das Beat Sheet wird oft auch als Verwandlungsmaschine bezeichnet, und Sie können wahrscheinlich verstehen, warum. Ein fehlerhafter Held tritt auf der einen Seite ein und kommt auf der anderen Seite wie verwandelt wieder heraus! Im Grunde ist die Verwandlungsmaschine dazu da, die Helden umzuprogrammieren. Sie soll die Art und Weise ändern, wie sie denken, handeln und agieren.

Dieses Zitat formuliert den Grundgedanken dieses Schreibratgebers und damit auch die Engstirnigkeit seiner Form der Geschichtenerzählung. Der Satz sagt fast alles aus – im Positiven, aber auch im Negativen. Soll sich jeder Leser raussuchen, auf welcher Seite er steht, dann weiß er, ob Save the Cat! – Writes a Novel was für ihn ist oder nicht.

Mit einigen Fragezeichen zu versehen ist einige Zeilen später auch folgender Satz: „Letztendlich ist es das, was alle großen Geschichten tun. Sie programmieren die Helden um.“ Das Wort „alle“ in Kombination mit „große“ ist falsch. Es sind möglicherweise viele, aber nicht alle, und es sind auch mitnichten nur die „großen“ Geschichten.

Irgendwann wird es anstrengend, immer wieder an das innere oder spirituelle Ziel (Bedürfnis) erinnert zu werden, das die Hauptfigur, den „Helden“, zu einem besseren Menschen machen wird. Spontan fällt einem Stieg Larssons Lisbeth Salander ein, die viele Probleme und viele Bedürfnisse hatte, aber definitiv nicht das spirituelle Ziel, ein besserer Mensch zu werden.

Es gibt jede Menge Bücher, die dieser Struktur nicht oder nur in geringem Maß oder nur zu gewissen Teilen entsprechen. Außer, ja außer man definiert kaum sichtbare oder merkbare Details als Wendepunkte oder Ereignisse, in denen die Leitlinie von Save the Cat! – Writes a Novel erkennbar sein könnte. Dadurch wird dieser Grundgedanke wiederum so aufgeweicht und schwammig, dass er fast unglaubwürdig wird.

Dreht man das Ganze herum, heißt das: Es gibt viele Bücher, die in diese Struktur passen. Es gibt aber auch viele , die dieser Struktur nicht folgen und dennoch hervorragende Bücher sind. Die Vermutung liegt nah, dass die Autoren dieser Bücher aufgrund ihrer Erfahrung und ihrer Kenntnis des Schreibens diesen Schraubstock an Regeln nicht mehr benötigen. Im Umkehrschluss heißt das wiederum, diese Regeln sind denen eine Hilfe, die keine oder erst wenig Ahnung vom Schreiben haben.

Reichlich schlicht sind im übrigen die den jeweiligen Kapiteln nachgeordneten Fragebögen, die an schlechten Deutschunterricht in der Schule erinnern. Fragen wie „Lässt ihr Held eine alte Welt hinter sich und betritt eine neue?“ sind hart an der Grenze zur Zumutung für Leute, deren Plan mehr ist, als eine Fantasy-Kurzgeschichte zu schreiben. Insofern empfiehlt es sich immer wieder, die Lektüre dieses Ratgebers mit einer gewissen inneren Distanz anzugehen.

Die den zweiten Teil füllenden Genres sind zehn Archetypen, in die man nach Meinung von Jessica Brody „jeden großen Roman, der jemals geschrieben wurde“, einordnen kann. Das ist ein wahrhaft ambitionierter Anspruch. Aber vielleicht rettet sich Frau Brody damit, dass alle Romane, die da nicht reingezwängt werden können, eben keine großen Romane sind. Lassen wird es mal so stehen und wenden uns den gelisteten Genres zu. „Man nennt sie die Save the Cat!-Geschichtengenres“. Die unterscheiden sich nicht, wie möglicherweise irrtümlich angenommen, in Krimis, Komödien, Dramen, Horrorgeschichten oder sonstiges, sondern, wie sollte es anders sein, danach, welchen Typ von Verwandlung der Held durchmacht.

Zumindest haben die zehn Genres insofern einen Wert, als sie eine ausgesprochen hilfreiche Stütze sein können für Autoren, die sich noch nicht im Klaren sind, was für eine Geschichte sie schreiben wollen. Diese Frage lässt sich damit nicht nur klären, sondern auch mit einigen guten und vor allem praktikablen Ideen anreichern. Hat man sie verinnerlicht, könnte man vermuten, dass bei Stephen King nicht die zehn Gebote über dem Schreibtisch hängen, sondern die zehn Genres von Jessica Brody.

Die im Anschluss als typisch für das jeweilige Genre genannten Bücher sind eher ein Hinweis, wie Mainstream-Romane oft (aber nicht zwangsläufig immer) funktionieren. Das muss jedenfalls nicht der Maßstab für ein eigenes Buchprojekt mit einer kreativen Geschichte sein.

Nicht in diese Schablone passende Romane hat Jessica Brody, aus ihrer Perspektive verständlich, außen vor gelassen. Man muss nicht bis zu Großmeistern der Literatur wie Haruki Murakami gehen, um den Beweis anzutreten, dass es auch anders geht. Selbst so schlichte Bestseller wie Der Circle passen da nicht hinein. Aber vielleicht ist das der Grund, warum dieses Buch von Dave Eggers – freundlich ausgedrückt – so enttäuscht (Subjektiv, nur meine Meinung, oder vielleicht doch ein bisschen mehr? Darüber schreibe ich demnächst an anderer Stelle).

Die im dritten Teil besprochenen Themen und Problembereiche sind erfreulich praxisnah. Unter anderem geht es hier um die Schreibblockade, von der Jessica Brody sagt, dass es eine solche nicht gibt bzw. diese richtiger „Blockade des Perfektionisten“ genannt werden sollte. Hintergedanke ist, im Zweifel eher erst mal einen Haufen Mist zu schreiben als gar nichts. Mist sei Dünger für Besseres, und damit eine gute Grundlage für anschließende Überarbeitungen und Korrekturen. Dieser dritte Teil hält überhaupt eine Reihe von Arbeitstechniken bereit, die nicht nur vor Beginn des Schreibens, sondern auch während des Schreibprozesses eine praktikable Hilfestellung sein können.

Zusammenfassend geht es in Save the Cat! – Writes a Novel nicht um Stil, nicht um die Charaktere, es geht nicht um die Geschichte selbst oder auch nur um das Thema. Es geht ausschließlich um die Struktur bzw. die Dramaturgie. Damit kann man durchaus eine Geschichte verbessern. Aber wenn der Rest nicht stimmt, hilft das alles nichts. Insofern ist dieser Schreibratgeber einerseits auf schmaler Spur. Andererseits hilft diese Beschränkung auch, weil die Konzentration auf einem einzigen Merkmal liegt, und die Verfasserin nicht meint, alles auf einmal erschlagen zu müssen. Was man auch lernt, ist zu verstehen, wie offensichtlich viele Mainstream-Leser ticken und mit welchen Mitteln sie bei der Stange gehalten werden. Und das ist schon mal was.

Wenn man weiß, wo die Beschränkungen liegen, ist es ein durchaus hilfreiches Buch. Vor allem wenn man sich nicht zu strikt an die Vorgaben hält. Für angehende Romanautoren bietet Save the Cat! – Writes a Novel einen praktischen und leicht verständlichen Ansatz, um spannende Geschichten zu verfassen. Autoren, die lieber organisch und ohne strenge Struktur schreiben, werden die Leitlinien von Jessica Brody sicher als zu präskriptiv oder einschränkend einordnen.

Save the Cat! Writes a Novel: The Last Book On Novel Writing You’ll Ever Need; von Jessica Brody; ISBN 978-0399579745

Photo by Danny Trujillo on Unsplash

Die meisten Autoren längerer Geschichten haben wahrscheinlich diverse Schreibratgeber im Regal stehen. Warum auch nicht? Es ist deutlich effizienter, sich spezielle Kenntnisse von professionellen Autoren anzueignen, als entsprechende Erfahrungen selbst machen zu müssen. Wie alles sind aber auch Schreibratgeber unterschiedlicher Qualität und sie beleuchten verschiedene Aspekte des selben Themas. In dieser Reihe möchte ich ein paar Worte über die Schreibliteratur verlieren, die ich gelesen habe und die möglicherweise auch für andere interessant sein könnte. Die Zielgruppen dieser Ratgeber unterscheiden sich teilweise aber erheblich.

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