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Die Frage der Leserzielgruppe

Wer sind meine Leser? Wo finde ich meine Leserzielgruppe? Sobald man sich mit Buchmarketing beschäftigt, also versucht, sinnvolle Maßnahmen zu identifizieren, mit denen sich der Buchverkauf in Gang setzen oder verbessern lässt, trifft man in schöner Regelmäßigkeit auf dieses Thema. Vereinfacht heißt die Frage: In welcher Größe soll ich einen Pullover stricken, wenn ich nicht weiß, ob ihn ein übergewichtiger Endfünfziger tragen wird oder eine zierliche 16-Jährige. Es wird noch schwieriger, wenn es, wie bei einem Buch, um intellektuelle Passgenauigkeit geht.

Im Netz tummeln sich wie gewohnt große Mengen selbsternannter Experten, die zu dem Thema etwas zu sagen haben. Mit ein bisschen Kritikfähigkeit und Filterarbeit lassen sich hier nützliche Hinweise finden. Zwei Problemfelder tauchen dabei auf. Fast alle gehen davon aus, dass – wie beim Pullover stricken – der Autor sich vor dem Schreiben Gedanken über seine Leserzielgruppe macht und Stoff und Schreibstil daran ausrichtet. Außerdem beziehen sich diese Hinweise bevorzugt auf Sachbücher.

Wenn ich herausfinde, dass es eine relevante Gruppe von linkshändigen Golfspielern gibt, die wegen ihrer Pollenallergie grundsätzlich bei Regen spielen, habe ich eine kleine, aber feine Zielgruppe, die ich mit einem Ratgeber hervorragend bedienen kann. Das Buch wird ziemlich sicher seine Käufer finden.

Aber wie schaut die Situation aus, wenn man – wie ich – Stoff für einen Roman hat, dessen Thema und dessen Protagonisten eine Herzensangelegenheit sind? Selbst bei einem Krimi oder Thriller ist das einfacher, weil sich Übeltäter, Verbrechen und Setting relativ gut an die Erwartungen des Publikums anpassen lassen. Ein Roman, der unter völliger Missachtung einer „Zielgruppenspezifizierung“ geschrieben wurde, hat da ein Problem.

Nun kann man darauf hoffen, dass eine interessante, gut geschriebene Geschichte immer ihre Leser finden wird. Vielleicht lässt sich auch der eine oder andere Rezensent mit Reichweite auftun, der sein Lob in die Runde schickt. Aber was ist denn jetzt mit der Zielgruppe?

Zäumen wir das Pferd von hinten auf. Wenn sich ein Buch für eine Zielgruppe schreiben lässt, müsste sich auch eine Zielgruppe für ein Buch finden lassen. Also formulieren wir die üblichen Fragen, mit denen sich ein Leserprofil erstellen lässt, unter diesem Gesichtspunkt des vorhandenen Romans. Die Fragen heißen dann nicht mehr „Für welche Altersgruppe will ich schreiben?“ oder „Welches intellektuelle Umfeld möchte ich ansprechen?“, sondern „Welche Altersgruppe fühlt sich am ehesten von meinem Roman angesprochen?“ und „Wie definiere ich eine Gruppe, die solche Literatur liest?“.

Es gibt eine Reihe weiterer Fragen, die in Bezug auf die Leserschaft gestellt werden sollten. Im Groben unterteilt man vier Gesichtspunkte, nämlich sozioökonomische, demografische und psychografische Aspekte sowie das voraussichtliche Kaufverhalten. Aber was macht man mit diesen neu gewonnenen Erkenntnissen?

Beim Sachbuch ist das einfach. Die Leser werden das Buch finden. Wenn jemand nach „Golf für Linkshänder“ oder „Golf für Allergiker“ sucht, hat man ihn schon beim Wickel, so weit das Buch mit den richtigen Beschreibungen versehen wurde. Beim Roman ist das andersherum. Das Buch muss die Leserschaft finden, die man so mühsam selektiert hat.

Wie geht das? Letztlich über die Kommunikationswege, die zur Verfügung stehen: Klappentext, Buchbeschreibung auf den Verkaufsplattformen und die Verschlagwortung, zum Beispiel bei Amazon. Beim Klappentext oder in der Buchbeschreibung sollte dieser Kreis von geeigneten Käufern direkt angesprochen werden, und das in einer Sprache, die dieser Zielgruppe angemessen ist. Wenn die Leser in der Altersgruppe 40+ sind, dann ist ein zu salopper Ton unangebracht. Also eher „das funktioniert da nicht“ als „das funzt bei denen nicht“.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Umfeld, in dem das Buch seine Leser finden soll. Die „passende“ Gesellschaft sind verständlicherweise Bücher eines ähnlichen Genres. Jede Buchhandlung und jede Verkaufsplattform hat ein mehr oder weniger fein abgestimmtes Kategoriensystem, das weit über die Einteilung „Sachbuch oder Fiktion“ hinausgeht. Ein Roman für die Altersgruppe 40+ passt manchmal, aber eher im Ausnahmefall in die Coming of Age Abteilung.

Interessant sind dabei die Werbemöglichkeiten für Bücher mit Amazon Advertising. Hier lässt sich definieren, in welcher Verbindung mit anderen Büchern das eigene beworben wird. Im Fall von Chicago-Chevy-Charleston bieten sich bspw. Bücher an, deren Handlung in den USA angesiedelt ist oder die von Reisen und Roadtrips erzählen. Weiter gefasst: Das eigene Werk sollte im Umfeld der Literatur präsentiert werden, die nach der eigenen Zielgruppenanalyse von „meinen“ potenziellen Lesern bevorzugt wird.

In diesem Zusammenhang ein paar Worte zum Thema Frauenbuch versus Männerbuch. Bei der Auswahl meiner Testleser hatte ich mich bemüht, ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Frauen und Männern zu finden. Dabei ging es mir darum, eine soziografische Mischung zu bekommen, wie ich auch versucht habe, möglichst verschiedene Altersgruppen mit einzubeziehen.

Eine der ersten Reaktionen irritiert mich: Dies sei eindeutig ein Männerbuch, hieß es. Diese Auffassung blieb erfreulicherweise die Ausnahme, sie schärfte aber meinen Blick auf die Frage. Ich baute das in den Feedbackbogen für die Testleser ein, wo sich nach der Auswertung aller Antworten eine leichte Tendenz zum „Männerbuch“ ergab. Sechs Testleser, darunter vier Frauen, antworteten mit „weder-noch“, die anderen vier mit „eher ein Männerbuch“.

Warum erzähle ich das? Weil ich Glück gehabt habe. Die Mehrzahl aller Bücherleser sind Leserinnen, also Frauen. Mit einem reinen Männerbuch reduziert man die potenzielle Leserzielgruppe schon um mehr als die Hälfte, ohne dass weitere Lesermerkmale zum Tragen gekommen sind.

Wenn ein Autor gezielt für Frauen oder gezielt für Männer schreibt, ist das etwas anderes. Aber wer vom Grundsatz her alle erreichen will, sollte darauf achten, seine Protagonisten so zu wählen und mit solchen Merkmalen auszustatten, dass sie für beide Geschlechter ein Identifikationspotenzial haben, wenn die Geschichte das zulässt.

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Buchcover

Seit geraumer Zeit gab es einen Entwurf für das Buchcover, der für die Exemplare der Testleser verwendet worden war. Als zentrales Element zeigte er den originalen 64er Chevy Bel Air angeschnitten am unteren Rand. Das Bild hatte ich in den 90er Jahren nachts an einer Tankstelle in Chicago fotografiert. Ursprünglich war darauf auch unser damaliger Kameramann zu sehen, an den die Figur des Steve Redman angelehnt ist. Das Auto auf dem Cover war ein absolutes „Muss“. Dieser Wagen transportiert die gesamte Geschichte im Buch. Der Hintergrund auf dem Exemplar der Testleser zeigte ein Rotbraun, ein in der Fläche verrostetes Blech, das eine Referenz zum Zustand des alten Chevys darstellen sollte.

Ursprüngliches Buchcover für "Chicago Chevy Charleston"

Buchcover, allererste Version

Es war wohl etwas zu viel Dekadenz. Möglicherweise lag es am Druck, der nicht brillanter wird, wenn RGB-Dateien ohne Konvertierung in CMYK gedruckt werden. Jedenfalls erschien mir der neue Buchtitel als DIE Gelegenheit, auch das Buchcover zu überarbeiten.

In meiner Vorstellung sollte aus dem Rotbraun ein Blaugrau werden. In Kombination mit dem Wagen würde das eine einheitliche dunkle Fläche ergeben, auf der eine weiße Schrift gut kontrastiert. Hugh Howey, auf den ich hier schon verwiesen habe, gibt auch zur Gestaltung vom Buchcover ein paar brauchbare Hinweise. Er empfiehlt, sich von dünnen, kursiven Schriftarten fernzuhalten, weil sie praktisch unsichtbar werden, wenn die Leser das Cover auf der Amazon Webseite sehen. Buchtitel und Name des Autors dagegen sollten deutlich hervorstechen. Ausgefallene Illustrationen hält er für komplett überflüssig. Verständlicherweise sind das die Gedanken eines Autors, der die erste Million seiner Bücher ausschließlich als eBook auf Amazon verkauft hat. Es gibt auch Regale in Buchhandlungen, in denen ein attraktiv gestaltetes Buchcover Kunden zum Hinschauen und hoffentlich zum Zugreifen animiert. Trotzdem ist unbestritten, dass bei kleiner Darstellung ein gut lesbarer Titel von Vorteil ist.

Ich bat eine Grafikerin aus dem weiteren Bekanntenkreis, das Cover nach meinen Vorstellungen zu überarbeiten. Schwerpunkt sollte erklärtermaßen die Typografie inklusive Farbe und Größe von allen Texten auf dem Cover sein. Was zurückkam, war der Entwurf für ein komplett neues Buchcover. Nur der Chevy tauchte wieder auf, allerdings an anderer Stelle. Er schwebte jetzt im mittleren Teil auf einer wehenden amerikanischen Nationalflagge.

Das sind Momente, in denen man kurz an sich zweifelt. Warum macht sie das? War das so daneben, was auf dem Testlesercover zu sehen war? Immerhin hatte die Mehrheit meiner Testleser übereinstimmend gesagt, das Cover gefiele ihnen. Andererseits hat die Grafikerin mehrere Kunden im Verlagsbereich und entwickelt deren Buchcover – sie hat Erfahrung auf diesem Gebiet. Trotzdem: Es sprach mich nicht an. Ein Auto schwebt nicht auf den Stars & Stripes. Vielleicht war es grafisch gelungen, aber es hatte mit meinem Buch nichts mehr zu tun. Außerdem hatte ich keine Lust auf eine weitere Baustelle. Ich einigte mich mit der Grafikerin, übernahm ausschließlich die von ihr designte Typografie, die genau meinen Wünschen entsprach, und setzte diese auf einen ebenfalls neuen, dunklen Hintergrund. Damit stand die endgültige Form des Covers, wie sie auch hier auf der Home-Seite zu sehen ist.

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Buchprojekt: Go Your Own Way – Teil 2

Das Exposé stellt einen elementaren Bestandteil von einem Buchprojekt dar. Kein Mensch und erst Recht kein Agent oder Verleger liest das Buch, um einen Eindruck zu bekommen, um was es geht. Ein vollständiges Exposé (im Gegensatz zum Kurzexposé) enthält eine ausführliche und eine kurze Inhaltsangabe (den sogenannten „Pitch“), eine Kurzbiografie des Autors inklusive Foto, Angaben zum Regionalbezug, Genre und zur Zielgruppe. Je nachdem, für wen das Exposé gedacht ist, auch das Coverfoto und den Klappentext. Bei den Agenturen lässt man Cover und Klappentext tunlichst weg, weil das üblicherweise vom Verlag festgelegt wird. Dafür müssen hier zusätzlich der Arbeitstitel, Angaben über den Stand vom Buchprojekt und voraussichtliche Länge des Manuskripts hinein, außerdem ein paar Sätze zum literarischen Umfeld, also zu vergleichbaren Büchern bzw. Autoren mit ähnlichen Themen.

Das Exposé ist nach dem Anschreiben das erste, was ein Literaturagent liest. Es ist die Visitenkarte von Buch und Autor, und wenn hier beim Leser Zweifel aufkommen, hat man schon verloren. Im Übrigen bieten die Agenturen das Buch mit Hilfe dieses Exposés den Verlagen an. Deshalb ist es wichtig, beim Verfassen jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. Für das Exposé von Chicago-Chevy-Charleston habe ich mir mehrere Tage Zeit genommen und jede Fassung immer wieder mit einer Nacht Abstand gelesen und verbessert.

Ist es mit einem Verlag nichts geworden, mausert sich das Exposé erst recht zum ständigen Begleiter. Die vollständige Fassung oder Teile davon braucht man bei einem Buchprojekt ständig, nämlich für sämtliche Verkaufsplattformen, für Werbung im Internet oder auf Flyern, für die Einreichung zu Wettbewerben und vieles mehr.

Die Leseprobe ist das einfachste. Das Manuskript ist die Grundlage dafür und muss lediglich auf die gewünschte Länge gekürzt werden. Diese bewegt sich üblicherweise zwischen zehn und 50 Seiten. In Einzelfällen werden zwei Kapitel oder das komplette Manuskript (so weit vorhanden) angefragt. Ich habe immer die ersten beiden Kapitel als Leseprobe beigelegt, weil das den maximal 30 Seiten entsprach, die die von mir ausgewählten Empfänger haben wollten. Den Wunsch nach „zehn Seiten maximal“ habe ich ignoriert, weil jeder jederzeit aufhören kann zu lesen, wenn es ihm reicht.

Von den neun Agenturen auf meiner Liste habe ich fünf angeschrieben. Nicht gleichzeitig, sondern maximal zwei auf einmal, um – aus heutiger Sicht eine größenwahnsinnige Annahme – nicht mit zu vielen parallel verhandeln zu müssen. Das Feedback war niederschmetternd – weil nicht vorhanden. Ich bekam eine einzige Eingangsbestätigung von einem Auto-Responder.

Ich hatte auch die Agentin angeschrieben, bei der die Sachbuchautorin unter meinen Testlesern ihren Vertrag hat. Diese Testleserin sagte mir aber vorab, die Agentin sei mittlerweile mehr an ihrem Hund interessiert als an neuen Autoren. Insofern wäre das weniger eine Empfehlung als ein Hinweis. Ich dürfe mich jedenfalls gerne auf sie beziehen. Das machte ich und bekam erstaunlicherweise innerhalb Stunden eine Antwort. Die Aussage der Agentin war, sie würde sich meine Materialien im Lauf des kommenden Wochenendes anschauen. Das war das Erste und das Letzte, was ich aus dieser Richtung hörte. Auf ein freundliches Nachfassen mehrere Wochen später kam keine weitere Reaktion.

Ich will nicht ausschließen, dass diejenigen, die in den Agenturen meinen Text in die Hand genommen haben (wenn überhaupt), davon so erschreckt waren, dass ihnen die Worte fehlten. Es würde mich aber wundern. Dennoch, selbst dann ist das ein merkwürdiges Verhalten. Diese Branche hat offensichtlich in Sachen Etikette etwas andere Gebräuche als die sonstige Wirtschaft. Unverständlich, warum man für das Sichten eines Manuskripts acht bis zwölf Wochen benötigt, und noch unverständlicher, warum es offenbar eine Zumutung ist, einen Textbaustein als Absage zu schicken. Und dann verlangen einige noch die Auskunft, wo man sein Manuskript parallel angeboten hat. Das ist wie eine Firma, die fragt, auf welche offenen Stellen ich mich sonst beworben habe. Dafür, dass dies eine Kulturbranche ist, fehlt es im Umgang genau daran: an Kultur.

Im Lauf dieser Wochen, in denen ich auf Antworten wartete, die nicht kamen, verdichtete sich mein Entschluss, bei meinem Buchprojekt auf Literaturagenten und Verlage zu verzichten. Parallel hatte ich angefangen, mich in die Materie von Herstellung und Vermarktung von Büchern im Eigenverlag zu beschäftigen. Dabei tauchte eine Reihe von spannenden Details auf, die ich als eine neue Herausforderung sah.

Und dann stieß ich auf einen ausführlichen Blogbeitrag von Hugh Howey, einem amerikanischen Autor, der mit seiner Wool Trilogie im Selbstverlag ein Millionenpublikum erreichte. Diese Bücher sind mittlerweile als Übersetzung in Verlagsausgaben in circa 17 Ländern erhältlich, aber das amerikanische Original erschien 2012 bei Amazon KDP.

Howeys Beitrag (Writing Insights Part Four: Publishing Your Book) ist eine flammende Fürsprache zugunsten des Selfpublishing, was nicht wundert, wenn man Millionen Exemplare auf diesem Weg verkauft hat. Dennoch sind viele seine Pros und Cons Fakten, die nicht von der Hand zu weisen sind.

Das alles habe ich eine Zeit lang bei mir sacken lassen. Dann stand die Entscheidung: Ich mache das selbst.

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Korrektorat beim Buch schreiben

Meine zugegebenermaßen naive Idee des Testlesens bezog sich ausschließlich auf die Inhalte: Stoff, Personen, Dramaturgie und Sprachstil. Darauf sollten sich die Testleser konzentrieren, mit möglichst wenig Ablenkung. Als ich den Druck der Leseexemplare in Auftrag gab, war ich überzeugt, eine nahezu fehlerfreie Vorlage benutzt zu haben. Spott und Hohn, kann ich nur sagen. Das Feedback in Sachen Korrektorat, also Rechtschreibung, Interpunktion bis hin zum Satzbau war für mich eine wirkliche Überraschung. Meine braven Testleser hatten – trotz der Aufforderung, sich aufs Lesen zu konzentrieren – eine geballte Ladung von Korrekturen gemacht. Also nicht nur Stilblüten, Stolpersteine oder Verständnisfragen, sondern „echte“ Korrekturen. Zwei Testleserinnen hatten richtige Listen angelegt. Klar, mit Germanisten und Lehrerinnen in der Crew muss man damit rechnen. Dankbarkeit war angesagt.

Irritierend fand ich, dass sich die gefundenen Fehler bei den Testlesern wenig überschnitten, was ja heißt, dass ihnen individuell jeweils nur ein Teil aufgefallen war. Als ich beim Einpflegen dieser Korrekturen erneut weitere Fehler entdeckte, beschloss ich, eine zusätzliche komplette Durchsicht, also ein weiteres Korrektorat zu machen. Über Tage hinweg habe ich mir Kapitel für Kapitel das Buch laut vorgelesen. Und es fand sich immer noch genug. Nur wenige richtige kapitale Fehler, aber zum Beispiel jede Menge Interpunktionsfragen. Die ließen sich zwar so oder so beantworten, aber schon wegen der Durchgängigkeit war es besser, sich für eine Version zu entscheiden und dabei zu bleiben.

Für die, deren Stirn jetzt das Wort „Rechtschreibprüfung“ mit einem Fragezeichen zeigt, habe ich wenig Trost. Die Rechtschreibprüfung findet nur eindeutige Fehler – wie Wörter, die nicht existieren. Sobald zum Beispiel ein Verb, das es ja in verschiedenen Konjugationen und in verschiedenen Tempi gibt, in irgendeiner dieser Möglichkeiten dasteht, wird es von der automatischen Prüfung nicht markiert. Das Gleiche gilt für die Deklinationsformen von Substantiven. Genau diese Fehler übersieht man gerne während des flüssigen Lesens, was in einem Buch der Normalfall ist.

Nach Abschluss des Korrektorats gab es in meinem eigenen Testleserexemplar keine einzige Seite mehr, auf der nicht Verbesserungsbedarf markiert worden war. Ich vermute überschlägig, es sind auf den circa 250 Seiten über 1.000 Korrekturen. Ich frage mich immer wieder, was alles zu finden wäre, würde man gekaufte Bücher so akribisch durchgehen. Oder anders gesagt: Wo bewegt sich ein professionelles Korrektorat im Vergleich mit Crowd-Korrektoren in Gestalt von Testlesern nach circa fünf Korrekturdurchgängen?

Ein grundsätzliches Problem beim Korrigieren zeigt sich darin: Je öfter man den Text liest, desto mehr tritt der Inhalt in den Hintergrund und die Worte nach vorne. Das bringt eine Zunahme von Irritationen mit sich. Es fallen Wortverdopplungen auf, die über große Strecken gehen. Oder die fixe Idee setzt sich fest, das vergangenheitsverbundene Wort „war“ wäre zu oft im Text. Kann man aber nicht gut ersetzen. In jedem anderen Buch ist es im Übrigen genauso oft zu finden.

Es entsteht eine Tendenz zu übersteigerter Sensibilität. Vorsicht ist geboten, nicht vor lauter Korrekturen den Textfluss (und schlimmer: den Sinn) zu ruinieren. So lange die Option eines Verlags mit angeschlossenem Korrektorat im Raum steht, kann durchaus ein bisschen Arbeit übrig bleiben. Beim Selfpublishing ist das anders. Da ist eigenes Kümmern angesagt – mit klaren Grenzen.

Wie an früherer Stelle gesagt, bergen Korrekturen gewisse Risiken, wenn Textteile bzw. eine Druckversion des Manuskripts den Schreibtisch des Autors verlassen haben. Je mehr Versionen unterwegs sind, und das gilt auch für den eigenen Computer, um so weniger blickt man durch, wo welche Korrekturen bereits gemacht wurden.

Spätestens wenn die Testleser mit dabei sind, kommen die Korrekturen auf den unterschiedlichsten Wegen: im Fragebogen, per E-Mail im Text oder als Anlage mit verschiedensten Dateiformaten, handschriftlich, per Brief oder am Telefon. Am besten sammelt und strukturiert man das alles an einem einzigen Ort. Vor allem dann, wenn diese Korrekturen nicht auf einmal umgesetzt werden, sondern in mehreren zeitlichen Schritten. Korrekturen zu sammeln, empfiehlt sich im Übrigen auch, um die Überschneidungen bzw. Mehrfachnennung einer Korrekturstelle sichtbar werden zu lassen.

Erst im Nachhinein ist mir klar geworden, wie wichtig die Rolle der Testleser ist. Vor allem Selfpublishing-Autoren finden mit kompetenten Testlesern eine Unterstützung, die gegebenenfalls über ein bezahltes Auftragslektorat hinaus geht. Das ist eine provokante Meinung, aber ein einzelner Lektor kann nicht die unterschiedlichen Perspektiven und divergierenden Meinungen einer Vielzahl von Personen darstellen. Das macht es auch für den Autor manchmal schwierig, weil er bei Parität verschiedener Auffassungen eine eigene Entscheidung treffen muss, welcher er folgt. Vorteil wiederum ist, bei einer guten Mischung von Testlesern (Geschlecht, Alter, Beruf, Leseerfahrung etc.) ein Gespür zu bekommen, welche Zielgruppe das eigene Manuskript anspricht. Ganz zu schweigen, von der an Schwarmintelligenz heranreichenden Kompetenz in Sachen Korrektorat, also Rechtschreibung, Interpunktion und Stilfragen.

Fähige und interessierte Testleser sind ein extrem wichtiger Punkt bei der Entstehung eines Buchs. Rezensionen kommen zu spät, weil das Buch bereits veröffentlicht ist. Außerdem bezieht sich da Lob oder Tadel mehr auf allgemeine Aspekte der Geschichte bzw. auf den Stil des Autors. Lektoren von Verlagen oder Agenturen sind auch nicht hilfreich. Sie schmettern Manuskripte ohne Feedback ab. Wirkliche Kritik bekommt man von denen nur, wenn sich ein erstes Buch gut verkauft hat und klar ist, dass das zur Diskussion stehende im gleichen Verlag erscheinen wird. Eine konstruktive und zielgenaue Kritik erhält man vor allem von Freunden oder Wohlmeinenden. Deren Reaktion verschafft am ehesten einen vielseitigen Überblick, wie die Geschichte, Ausdrucksweise und Schreibstil des Autors ankommen.

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Lektorat beim Buch schreiben

Ein professionelles Lektorat kann man zumindest teilweise durch Testleser ersetzen – wenn man die richtigen hat. Das Feedback meiner Testleser im freien Textfeld des Antwortbogens erwies sich durch die Bank weg als ausgesprochen interessant. Den einen war der Anfang verglichen mit dem Rest zu statisch, andere fanden den Schluss zu schnell („da wolltest du wohl fertig werden“). Eine Testleserin diagnostizierte zeitweilige Müdigkeit bei manchen Szenen. Alle haben irgendwo recht.

Auch als Novize beim Schreiben merkt man, dass aller Anfang schwer ist, und es erst nach einiger Zeit und vielen Zeilen flüssig läuft. Es gibt Szenen, da geht alles wie von selbst, andere sind eher zäh. Die Routine des gleichmäßigen Schreibens kommt wahrscheinlich nicht vor dem dritten Buch. Im Moment – fürchte ich – sind das noch ferne Welten.

Ich vermute, zwei Dinge spielen eine Rolle: Die ursprüngliche Geschichte – ein Exposé für einen Fernsehfilm – war dreißig Jahre alt (daher das Jahr 1988). Da vermischen sich jüngere mit älteren Elementen. Es gibt eine Reihe von Szenen, die dokumentarischen Charakter haben. Die Szene im Club ist so eine. Nun waren wir während unserer USA Dreharbeiten nicht ständig in Table Dance Clubs, aber die Vorlage für diese Szene war ein entsprechendes Etablissement direkt neben unserem Motel in Indianapolis. Das hatte schon was sehr Eigenes, und diesen Abend habe ich heute noch gut vor Augen. Offensichtlich macht sich das in der Schreibe bemerkbar.

Eine Testleserin, selbst Autorin von Sachbüchern und erfahren im Lektorat, holte in einem Telefongespräch weit aus. Sie hielt sich erst gar nicht mit Rechtschreibfehlern oder diskussionswürdigen Stilfragen auf, sondern sprach gezielt dramaturgische Schwächen an, die ihr aufgefallen waren.

In der Essenz ging es um Fragen, wie sich der Protagonist im Lauf des Buchs bzw. der Handlung verändert. Hat er sich „entwickelt“ (muss er!), und wenn ja, wohin (offen). Sie hatte da einen wunden Punkt getroffen, der von keinem der anderen Testleser angesprochen worden war, der aber in der Schreibliteratur ein Klassiker ist.

Problem ist die Kollision mit meiner eigenen Lebenserfahrung. Demnach kommt Steve genau so nach Chicago zurück, wie er da 14 Tage früher weggefahren ist. Menschen im Alter von 30 Jahren ändern sich nicht mehr grundlegend und schon gar nicht innerhalb von zwei Wochen. Angeblich will das aber der Leser. Gibt man es ihm?

Ich schwankte lang, auch weil mir nicht gefiel, in einem Roman, der in erster Linie gute Unterhaltung bieten will, zu sehr ins Psychologische abzudriften. Was ich mir gut vorstellen konnte, war eine Phase der Reflexion zu einem Zeitpunkt, da die größten Herausforderungen hinter Steve lagen. So etwas, wie Revue passieren lassen, um Gedanken zu sortieren, Geschehnisse einordnen zu können und die eigene Beziehung zu Personen neu zu definieren. Eine solche Szene erschien mir plausibel, und daraufhin schrieb ich ein komplettes zusätzliches Kapitel, in dem Steve eine historische Plantage außerhalb von Charleston besucht, die Magnolia Plantation.

Von einem meiner Filmleute bekam ich folgenden Kommentar:

„Obwohl mir das Cover gefällt, macht mich der Titel nicht neugierig. Ich habe aber keine bessere Idee. Aber irgendwas mit dem Auto fände ich eigentlich gut, Chevy 64 oder so. Oder die Geographie spezifizieren, z.B. mit den Appalachen, à la „Abenteuer in den Appalachen“, „Entscheidung in Charleston“. Das sind nicht wirklich ernst gemeinte Vorschläge. Titel sind sauschwer und man muss die blödesten Ideen durchkauen, um einen guten zu finden. Keine Ahnung, ob du da noch flexibel bist. Als Filmemacher erlebt man das ja ständig – und zu meiner Überraschung kommen doch immer wieder bessere Titel heraus, als man selbst hatte.“

Zur Erinnerung: Die Leseexemplare trugen den Titel „Ruhe im Süden“ mit dem Untertitel „Ein amerikanisches Abenteuer“. In den Monaten des Schreibens hatte ich mich so daran gewöhnt, dass ich ihn überhaupt nicht mehr in Frage gestellt habe. Auch die Mehrzahl der Testleser hatten ihren Gefallen daran kundgetan, und damit war ich endgültig eingelullt.

Dann kam jemand und fragte: warum „Ruhe im Süden“? In der Geschichte geht es im Süden, also in Charleston, doch gar nicht so ruhig zu … Da kapierte ich, dass ich es mit dieser Analogie zu weit getrieben hatte. Ein neuer Titel musste her!

Es war ein längerer Prozess, während dessen ungezählte Vorschläge geboren, durchgekaut und wieder verworfen wurden. Mir gefiel die Idee, den Chevy als dinglichen Protagonisten mit einzubeziehen und den Roadtrip-Charakter des Buchs zur Geltung zu bringen. Als die Entscheidung stand, war es dann Chicago-Chevy-Charleston. Das Auto ist dabei, die Ortsveränderung und der USA-Bezug. Der Titel hat einen hohen Aufmerksamkeits- und Wiedererkennungswert, und – last not least – machen sich die drei „CH“ auf dem Titelbild grafisch gut.

Allerdings war das nach wie vor ein Arbeitstitel. Die Entscheidung, ob ein Verlag oder ich selbst das Buch veröffentlichen würde, war noch nicht gefallen und mitnichten meine Entscheidung allein. Wenn ein Verlag einsteigen würde, wäre die Diskussion über den Buchtitel neu eröffnet.

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Testleser beim Buch schreiben:

Meine Testleser-Crew waren zehn Leute aus der Verwandtschaft und dem Freundeskreis. Das ist die harmlose Version. Die verschärfte klingt so: Sie bestand aus fünf Frauen, darunter (Achtung Mehrfachnennungen) Germanisten, Buchhändler, eine Autorin von politischen Sachbüchern mit Lektoratserfahrung, eine Lehrerin und eine Psychoanalytikerin. Weiterhin fünf Männer, davon zwei Filmleute, die sich mit Dramaturgie und schönen Bildern auskennen.

Ein so geballtes Potenzial an kritischer Kompetenz und Leselust machte mir beinahe Angst. Aber da musste ich durch.

Ich hatte mir ein mehrstufiges Verfahren ausgedacht. Während die Leseexemplare im Druck waren, schickte ich allen potenziellen Testlesern per E-Mail einen Flyer mit Titelbild und Umschlagtext zusammen mit den ersten beiden Kapiteln als Leseprobe. Damit sollte eine Situation ähnlich wie im Laden geschaffen werden. Die Testleser können sich eine Vorstellung vom Cover und vom Inhalt verschaffen, bevor sie sich entscheiden, das ganze Buch zu lesen.

Im Anschreiben bat ich explizit darum, dass diejenigen, die in der Buchhandlung das Buch auf Basis dieser Infos wieder weggestellt hätten, das auch hier tun. So wollte ich vermeiden, Testleser zu der Lektüre eines Buchs zu zwingen, das sie sich im sonstigen Leseleben niemals zugemutet hätten. Es macht keinen Sinn, jemanden einen Thriller lesen zu lassen, der dieses Genre hasst.

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten und waren durch die Bank positiv. Alle wollten das gedruckte Leseexemplar zum Weiterlesen – ein gutes Zeichen.

Im nächsten Schritt verschickte ich die zehn Leseexemplare. Eines behielt ich als Referenz für mich, damit ich die zu erwartenden Kritikpunkte mit Angabe von Seite und Absatz finden konnte.

Parallel hatten die unterschiedlichen Kommentare zur Leseprobe gezeigt, dass es die Sache vergleichbarer und einfacher macht, wenn ich Teile der kommenden Einschätzungen und Wertungen formalisiere. Ich entwickelte einen kurzen Fragebogen, mit dem ich das Feedback strukturieren und statistisch auswerten konnte. Die erste Idee, als „Formular“ ein online ausfüllbares PDF zu nutzen, habe ich schnell aufgegeben. Eine E-Mail, bei der man nur auf „antworten“ klicken muss, um im Zwischenraum der Fragen seine Antworten reinzuschreiben, war die bessere Alternative.

Von früheren Erfahrungen mit Umfragen wusste ich, dass Fragen eindeutig formuliert werden müssen und die Antwort keine intellektuellen Klimmzüge erfordern darf. Deshalb entschied ich mich für eine Kombination aus Bewertungsfragen mit Bitte um Vergabe von (Amazon-) Sternen, um Angabe der jeweils drei besten und schlechtesten Szenen in Form von Stichpunkten und einem zusätzlichen freien Textfeld. Da konnte jeder reinschreiben, was ihm sonst noch zum Buch einfiel.

Das Ganze hatte den Vorteil, dass ich so von allen ein umfassendes Bild über die mich interessierenden Fragen bekam. Für manche Leser ist es ja nebensächlich, wie das Buch von außen aussieht. Aber auch von denen will man eine Einschätzung, inwieweit die Umschlaggestaltung als gelungen empfunden wird.

Die Rückmeldungen erstreckten sich über einen Zeitraum von einem Monat nach Versand der Leseexemplare. Ein Testleser hatte das Buch am Abend nach Eintreffen komplett durchgelesen. So was nenne ich ermutigend!

Mit den Antworten auf die standardisierten Fragen war ich wirklich zufrieden. Die Punkt- Bewertungen lagen überraschend nah beieinander. Dabei zeigte der Daumen insgesamt nach oben. Spätere externe Bewertungen bestätigten das. Aber auch sonst erwies sich das Feedback als ausgesprochen interessant.

Schon nach den Rückläufen der Hälfte der zehn Testleser las ich unterschiedlichste Kommentare im freien Textfeld. Die einen gingen mehr auf den Stil, andere mehr auf die Rechtschreibung und Satzbau ein. Wieder andere machten Anmerkungen zu bestimmen Teilen des Inhalts. Dabei zeigten sich erstaunlich wenige Überschneidungen. Lediglich zwei Testleser hatten übereinstimmend Probleme mit dem Ende des ersten Kapitels. Beide empfanden die Verbindung zwischen Steve und seinem Großvater als nicht intensiv genug beschrieben. Das war auf direkte Nachfrage den Übrigen nicht aufgefallen. Trotzdem habe ich diese Stelle nochmals ausführlicher geschrieben, was der Sache sicher gutgetan hat.

Bemerkenswert fand ich folgende Aussage eines Testlesers. Er schrieb, wenn ich nicht ausdrücklich um eine differenzierte Begutachtung gebeten hätte, wäre seine Bewertung besser ausgefallen. Offensichtlich sind Familienmitglieder oder Freunde als Testleser sogar bereit, kritischer bzw. schlechter zu bewerten. Was sich deutlich zeigt: Sie setzen sich mit dem Text gründlicher auseinander als bei einem Buch ohne Bezug zum Autor.

Widerstände bekam ich seitens einer Testleserin zu spüren, die sich dagegen wehrte, „Punkte“ bzw. „Sterne“ zu vergeben, weil dies eine Bewertung unangemessen verkürze. Auf meine Bitte hin hat sie es doch gemacht, aber das Argument gab mir zu denken. Immerhin bot das freie Textfeld alle Möglichkeiten, die Vergabe der „Sterne“ zu erläutern und Kommentare jeder Richtung anzuhängen.

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Letzter Beitrag: Probedrucke – Leseexemplare

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Probedrucke – Leseexemplare

In meinen chronologischen Notizen steht am 8. November 2020:

„Gestern hat Biden wahrscheinlich die Wahl in den USA gewonnen, heute habe ich die vorläufig endgültige Textfassung auf das BoD Portal hochgeladen. Die Bastelei auf Papyrus, bis ich das einigermaßen brauchbar formatiert hatte, ist eine eigene Geschichte … So was kann man auch anders einrichten. Ich unterdrücke meine Gedanken an angebissene Äpfel.

Parallel habe ich das Cover-PDF für den Umschlag fertig gemacht, was voraussetzt, dass die endgültige Seitenzahl feststeht, weil davon die Breite des Buchrückens abhängt. So gesehen war das ein wichtiger und glücklicher Tag für mein Buchprojekt. Aber schon wenige Stunden später merkte ich, wie der Rand des Lochs näher kam, in das man nach so lange andauernden Herzensprojekten reinzufallen droht. Es gibt ohne Frage weiterhin viel zu tun, aber zunächst ist der kreative Part abgeschlossen, bis das Feedback der Testleser kommt, die erst versorgt werden müssen. Und das dauert. Die Lieferung der ersten zehn Leseexemplare wird bis zu elf Tagen brauchen.“

Die Bücher von BoD kamen in der Tat elf Tage später. Die Qualität erschien auf den ersten Blick ganz okay. Wenn man genauer hinschaute, sah man die Unterschiede. Das Papier war absolut weiß. Erst später realisierte ich, dass fast alle Taschenbücher auf chamois Papier gedruckt werden. War mein Fehler. Der Blocksatz schien zwar nicht so grauenvoll wie bei „Word“, aber auch nicht richtig gut, und die Textblöcke auf den Seiten waren nicht einheitlich groß – wobei beides keine Frage des Drucks ist. Heute weiß ich, wie viel Ahnung in Sachen Satz und Druck mir damals fehlte.

Beim Titelbild hatte ich mehr erwartet. Das erschien mir eine Spur matschig und für mein Gefühl schlechter als bei den meisten Verlagstaschenbüchern. Wahrscheinlich lag das am Farbraum. Jede Druckerei fragt üblicherweise nach CMYK, alle nicht-professionellen Bildbearbeitungsprogramme liefern nur RGB. Books on Demand redet nicht über dieses Thema. Vermutlich ahnen sie, wie viele Anfragen bei ihrer Hotline kämen, ohne das Problem lösen zu können. Auffällig war weiterhin, dass sich der gesamte Papierblock ein wenig wellte. Er lag nicht so elegant und plan wie bei anderen Büchern.

Am Abend ertappte ich mich, mein eigenes Buch zu lesen – mit großem Spaß. Als das an den Tagen danach immer wieder passierte, fragte ich mich, warum. Ich fühlte mich durch diese „vollständigere“ Form des Texts herausgefordert, nochmals aus einer neuen Perspektive darauf zu schauen.

Die Buchform erzeugt mehr Distanz als ein Manuskript oder der Blick in ein Textverarbeitungsprogramm. Es fällt einem als Autor leichter, den Text objektiv zu sehen, aber auch nur zu lesen, zu lachen und sich darüber zu freuen. Das Kind ist flügge geworden, und der distanzierte Blick macht es nochmals einfacher, Fehler zu finden.

Also: Eine gedruckte Vorab-Auflage dient nicht nur den Testlesern, sondern auch dem Autor!

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Letzter Beitrag: Überarbeiten des Manuskripts: Grundsätzliches

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Überarbeiten des Manuskripts: Grundsätzliches

Mitte Oktober 2020 war der vorläufig letzte Satz geschrieben. Wer denkt, er könne jetzt aufatmen und sich an die Korrekturen begeben, der irrt. Der Prozess des Korrigierens beginnt eigentlich mit dem ersten Satz, der auf dem (digitalen) Papier landet. Spätestens im Lauf der ersten Kapitel entwickelt sich beinahe automatisch eine Routine von Schritten, die alle mit Prüfen und Verbessern zu tun haben.

Ich schreibe gerne mit einem Fineliner auf richtigem Papier. Meistens habe ich Blatt und Stift zur Hand, damit ich in jeder Situation Ideen oder Formulierungen festhalten kann, bevor sie unwiederbringlich aus den Gedanken verschwinden. Daraus entsteht oft eine ganze handschriftliche Seite oder mehr. Außerdem gefällt mir die Möglichkeit, Wörter durchstreichen und durch Alternativen ersetzen zu können, ganze Abschnitte mit Pfeilen an andere Stellen zu verschieben und immer noch die alte Version im Blick zu haben.

Beim Übertrag auf den Rechner, meist am nächsten Tag, schauen die Dinge bzw. die Sätze möglicherweise wieder anders aus. Außerdem meldet sich die Rechtschreibprüfung – oft berechtigt. Vollständige Abschnitte und erst Recht komplette Kapitel lese ich mehrmals am Stück, um ein Empfinden dafür zu bekommen, ob sie schlüssig sind. Und wenn meine Frustrationstoleranz noch nicht am Anschlag klebt, werfe ich die Stilanalyse der Schreibsoftware an.

Korrekturen sind ein Teil des Schreibens, und in manchen Momenten überkommt einen das Gefühl, es hört nie auf.

Als nächster Schritt mussten die Leseexemplare für die Testleser gedruckt werden. Ich hatte mich für Taschenbücher entschieden, um ein möglichst echtes Buch- und Lesegefühl zu schaffen. Außerdem wollte ich selbst endlich „mein“ Buch in der Hand halten. Voraussetzung für den Druck ist ein entsprechend formatiertes PDF. Die Papyrus-Software bietet die Konvertierung standardmäßig in unterschiedlichen Formaten an, darunter das für den Druck bei BoD (Books on Demand). Diese Konvertierung setzt voraus, dass der Text mit einer passenden Formatvorlage erstellt wurde. Mein Manuskript besaß keine Formatvorlage, weil ich irgendwann einfach losgeschrieben hatte. Also musste ich den kompletten Text in einzelnen Abschnitten und Überschriften markieren und den Formatvorlagen zuweisen.
Bei der Gelegenheit habe ich weitere Korrekturen gemacht, sowohl was Füllwörter angeht als auch Satzbau und Ausdruck. Es hatte echt kein Ende: Im Text fand ich ständig neue Stellen, bei denen ich im Zweifel war, ob die so okay sind. Einige waren tatsächlich verbesserungswürdig, andere entpuppten sich als Falle. Auch Textverständnis hat eine Tagesform.

Dieses Korrigieren ohne Ende ist aus mehreren Gründen gefährlich. Wenn man Arbeitsschritte vermischt, geht schnell der Blick und die Konzentration auf das Wesentliche verloren. Die Rückmeldungen der Testleser sorgen ohnehin für eine weitere Korrekturorgie. Das eigentliche Problem ist aber ein verfahrenstechnisches. Unabhängig von den automatisch erzeugten Sicherungskopien arbeitet man nach meiner Erfahrung in dieser Phase bereits mit mehreren Versionen des ursprünglichen Manuskripts. Sei es, weil man eine Normseitenversion gemacht hat, sei es, weil unterschiedliche Schrifttypen ausprobiert wurden, sei es, weil man einzelne Kapitel als PDF ausgegeben hat. Mit den PDFs wollte ich den potenziellen Testlesern einen ersten Eindruck für die Entscheidung geben, ob sie sich auf das ganze Buch einlassen. Verschiedene Versionen bieten auch die Möglichkeit, in verschiedenen Versionen Korrekturen zu machen. Die Verwirrung ist vorbestimmt!

Wichtig ist, gleich am Anfang die eine Version zu definieren, in der Änderungen und Korrekturen gemacht werden dürfen. Wenn man, wie ich, Leseexemplare drucken lässt, um auf Basis des Feedbacks weitere Korrekturen zu machen, empfiehlt es sich, ab dem Moment, da erste Ausschnitte – auch als PDF – unterwegs sind, keine Änderungen mehr zu machen. Sonst bleibt der Gleichstand mit den Testlesern nicht gewahrt. Weitere Korrekturen sollten, wenn überhaupt, in einer Kopie gemacht werden, die eindeutig benannt und gekennzeichnet wird.

Was sich anbietet: Jede Datei, die mit dem Text zu tun hat, mit dem Datum im Dateinamen zu benennen und innerhalb der Dateiinformationen bei den „Kommentaren“ angeben, wer die Mutter oder der Vater dieser Datei ist, ob in ihr Korrekturen vorgenommen wurden und wenn, welche.

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Bild von jan mesaros auf Pixabay